Nha Trang
Nha Trang, die quirlige Hafenstadt, ließ mir doch tatsächlich keine Zeit zum Schreiben. Unser kleines, recht komfortables Hotel in einer geschotterten Seitenstraße lag nur wenige Schritte vom Strand und von der Promenade entfernt etwas nördlich der Innenstadt. Von der Dachterrasse über dem fünften Stock sah man auf der einen Seite zum Meer hinüber, auf der anderen über die kleinen Gärten des engen Wohnviertels, das schmale Schotterstraßen durchzogen.
Auf Minigrundstücken stehen hier schmale Häuser, deren Wohnzimmer zur Straße völlig offen sind. In den wenige Quadratmeter großen Vorgärten bunte Blumen, Bananenstauden, kleine Palmen, oft auch Gemüsebeete, zwischen denen Hühner herumstolzieren.
Eine halbe Stunde den Strand entlang in Richtung Stadtzentrum ragte die skurrile Steinformation Hon Chonh als Halbinsel in die Bucht. Sie lud förmlich ein, darauf herumzuklettern und den Blick über das türkis-grüne Meer auf der einen Seite und den schmalen Nordstrand auf der anderen schweifen zu lassen. Auf dieser Seite störten nur drei Hotelhochhäuser das Panorama.
Meeresforschung
Am ersten Morgen, dem 1. Februar, versuchte ich ein Interview mit dem Direktor des Meeresforschungsinstituts zu bekommen. Ich glaubte mit ihm schon von Deutschland aus per E-Mail Kontakt aufgenommen zu haben, musste aber feststellen, dass ich mit jemandem vom Institut für marine Ressourcen der Akademie der Wissenschaften in Hanoi korrespondeniert hatte. Aber Vietnamesen sind flexibel. Der Direktor dieses ozeanografischen Instituts war zwar nicht da, aber sein Vertreter war gerne bereit zu reden. Zuvor jedoch erhielten wir einen Rundgang mit privater Führung von einer Mitarbeiterin durch das angeschlossene Aquarium.
Auch wenn es für Touristen zugänglich ist, so ist diese kleine, einfache Einrichtung eher für Unterrichtszwecke gedacht, denn es gibt Informationen zu allen Meeren und sogar zu den Polarregionen. So wuselten denn auch zahlreiche Kinder um uns herum. In einem anderen Teil, der Touristen allerdings verschlossen ist, werden Seepferdchen gezüchtet, die vor Vietnam selten geworden sind, aber auch Organismen, die für Forschungszwecke an vietnamesiche Universitäten geschickt werden. Einige der Becken sahen nicht nach besonders artgerechter Haltung aus. Vor allem nicht der gekühlte Seehundbereich, in dessen Wasserbecken sich die drei vorhandenen Seehunde kaum bewegen konnten. Die Tiere kommen eigentlich nicht in den warmen Gewässern Vietnams vor, verirren sich jedoch manchmal aus nördlichen Gewässern hierher und verfangen sich in Fischernetzen. Die Fischer liefern sie dann im Meereskundeinstitut ab, das mit ihnen nicht viel anfangen kann. Zurück ins Meer vor Nha Trang kann man sie nicht lassen, weil sie dort sofort eingehen würden. Und sie an ihren Ursprungsort, meist China, zu transportieren, erfordert zu viel Verwaltungsaufwand für den Grenzübertritt.
Cham-Heiligtum
Das Volk der Cham kam einst aus Indien über den Seeweg nach Mittelvietnam und gründete dort ab dem 4. Jahrhundert n.Chr. zwei Königreiche, die sich durchaus feindlich gesinnt waren. Die Verbindung der Cham nach Indien brach im 6. Jahrhundert ab. Die weitere Geschichte ist kompliziert, wie die ganze Historie in Indochina. Aber sie hinterließen beeindruckende Heiligtümer, die aus Ziegeln ohne Bindemittel hochgezogen wurden und stark an mittelamerikanische Pyramiden erinnern. Po Nagar, eines dieser Heiligtümer ragt auf einem Hügel am Nordufer der Mündung des Cai-Flusses empor. Sein 22,8 Meter hoher Nordturm ist einer der höchsten Cham-Türme überhaupt. Bis heute ist ungeklärt, wie die aufeinander geschichteten Ziegel die Jahrhunderte überdauert haben. Es könnte sein, dass so ein Türm nach dem Bau noch einmal quasi gebacken wurde, um die Steine zu verbinden.
Vor dem Haupttor des Nordturms kniete eine Gruppe grau gekleideter Frauen und folgte unbeeindruckt von den Besuchern einem Ritual, begleitet von einer Trommel.
Drachenberg
Besonders beeindruckend war die blendend weiße, 15 Meter hohe Buddha-Statue auf dem Trai Thoy Hügel über der Long Son Pagode, der Pagode des Drachenberges, die die halbe Stadt überblickt.
Im Vorhof der Pagode friedlich spielende Kinder, möglicherweise die Waisen, die die Mönche in Obhut genommen haben. Ein Spielplatz ganz ohne Spielgeräte. Nur ein trockener Brunnen, ideal zum hinein- und hinausklettern und zu Rundenläufen. Ansonsten reichten den Kindern ein Ball und ein paar Seile. So ein Seil banden sie mit einer weiten Schlaufe um die Fußknöchel und schleuderten es im Kreis. Mit dem anderen Bein hüpften sie darüber hinweg. Eine durchaus nicht einfache Koordinationsübung, die aber offenbar einen Heidenspaß machte.
Dann fühlte ich plötzlich eine Hand auf meinem dicken Bauch. Als ich mich umdrehte stand da ein kleiner, alter Mönch strahlend neben mir. Er deutete auf meinen Bauch und verglich unsere Größe. Er reichte mir nicht einmal bis zu den Schultern. Dann machte er Zeichen, dass der gerne mit mir fotografiert werden wolle, was unsere Mitreisenden auch gerne taten. Über das Foto auf dem kleinen Bildschirm des Fotoapparates schien er sich königlich zu amüsieren. Haben wollte er es aber nicht. Auf die Frage nach seiner E-Mail-Adresse schüttelte er den Kopf. Mein gesamtvietnamesischer Freund erklärte, dass der Mönch so etwas nicht kennen würde. Stattdessen verschwand der kleine Mann im Tempel um kam nach kurzer Zeit mit einer Broschüre auf Englisch über Buddha zurück.