Wahlkampfnachlese: Keine Fragen gestellt

Es war ein langweiliger Bundestagswahlkampf. Keine Profile, keine wesentlichen Informationen, austauschbare Aussagen.

Anlass zu zahlreichen ironischen oder gar süffisanten Kommentaren in den Medien. Doch niemand kam auf die Idee, Pfeffer in den Wahlkampf zu streuen und echte, substanzielle und bohrende Fragen zu stellen. Auch Wissenschaftsjournalisten nicht.

Wenn es denn mal zu Fragerunden kam, haben Journalisten nur bekannte Statements nach Art von Hofberichterstattern abgefragt. Die vier Moderatoren des TV-Duells mit Angela Merkel und Per Steinbrück und die beiden Gesprächsbändiger des chaotischen, über weite Strecken nicht einmal akustisch verständlichen TV-Dreikampfs zwischen Grünen, Linken und FDP ließen die wolkigen Sprechblasen der Politiker mit freundlichem Kopfnicken ohne Nachhaken stehen.

Im Glorienschein der Mächtigen

Wollte man es sich mit den Mächtigen nicht verderben? Es hatte den Anschein, als wollten die Journalisten es nicht riskieren, vom nährenden Informationsbrei der Politik ausgeschlossen zu werden. Nicht mehr im Glorienschein der Mächtigen sonnen – das würde ans Ego gehen.

»Wer nicht fragt bleibt dumm,« heißt es in der Titelmusik zur Sesamstraße. Und genau das ist während des Wahlkampfs passiert. Die Wähler blieben dumm, weil ihnen die Medien statt Antworten nur wiedergekäute Verlautbarungen vorsetzten. Die Berichterstatter haben schlichtweg ihren Job nicht gemacht. Sie haben berichtet, dass es nichts zu berichten gab?

Keine Wissenschaft in der Politik

Wissenschaftsjournalisten waren da keine Ausnahme. Noch bei den Bundestagswahlen 2009 gab es immerhin einige Autoren, die ein paar wichtige Fragen zu Bildung, Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung stellten. Sie fanden zwar niemanden, der ihnen die Fragen beantworten wollte oder konnte, aber sie standen immerhin auf der Agenda, konnten so zu Fragen der Wähler werden.

Während des damaligen TV-Duells wurden die Wörter »Wissenschaft«, »Forschung« und »Innovation« immerhin den den letzten fünf Minuten in den Mund genommen, wie die Aktion „Wissenschaftsdebatte.de“ herausgefunden hatte. Bei der jetzigen Wahl waren solche Themen völlig aus dem Fragenkatalog der Moderatoren verschwunden: Wissenschaft liegt halt jenseits des Denkhorizonts von TV-Showmastern, die versuchen, sich politisch zu geben.

Das ist umso ärgerlicher, weil Wissenschaft, Forschung, Technik und Innovation Grundlage der bundesdeutschen Gesellschaft sind. Sie haben die Arbeitswelt, die Kommunikation, die gesamte Warenproduktion verändert und damit auch das Sozialgefüge.

Wissenschaft hat Einsichten beschert, mit denen die aktuelle Politikerklasse offenbar nicht umgehen kann, wie beispielsweise beim Klimawandel. Um dem zu begegnen, reicht es nicht, nur eine Energiewende zu proklamieren ohne zu wissen, wie man sie organisiert.

Gleichzeitig produziert Wissenschaft auch immer mehr unspezifisches Nicht-Wissen, immer mehr Risiko, das mit exakter Forschung prinzipiell nicht fassbar ist. Das liegt in der Natur von Wissenschaft. Nichtsdestotrotz muss Politik damit umgehen und Antworten finden. Doch niemand hat das abgefragt.

Fragen kosten Zeit und Geld

Liegt die Frage- und Denkfaulheit der Journalisten vielleicht auch an der strukturellen Krise der medialen Geschäftsmodelle, die Reportern weder Zeit noch Geld einräumen wollen, Interviews gründlich vorzubereiten und vorab Argumente und Fakten zu recherchieren? Wahrscheinlich.

Jedenfalls ist es schade, dass sich der politische Journalismus in Hofberichterstattung erschöpft und Wissenschaft und Forschung offenbar völlig von der Agenda gestrichen hat. Er hat nicht verstehen, dass politische Entscheidungen ohne wissenschaftliche Experten nicht mehr auskommen.

Noch bedauerlicher ist aber, dass sich Wissenschaftsjournalisten so wenig aufs politische Parkett trauen und Politik, Forschungsestablishment, Wissenschaftskommunikation und -lobby mit kritischen Fragen herausfordern und die Antworten verlangen, die ihre Leser, Zuschauer und Hörer eigentlich verdienen.

Kommentare

Gerhard Max Boehm sagt:

Die öffentlich rechtlich abgesicherten Journalisten wollen die Politiker und Wähler weder aufschrecken noch die Laune verderben. Und öff-rechtl. Journalisten wie Politker sind gut alimentiert. Die da oben – und die dort unten – reden über Politik und Probleme.

Bei der Kirchen ist es ähnlich.

Mein Freund A. Licht war Buchhändler und Geschäftsführer bei der Herder-Buchhandlung in München, Promenadenplatz. Der Laden wurde vor 10 Jahren geschlossen. Anstelle dem erfahrenen Herder-Verlag in Freiburg, der ein Verlags- und Sortiments- Fachwissen in seiner Struktur seit Jahrhunderten besitzt, hat ein Schwätzer aus Augsburg die Bischöfe der kath. Kirche wohl besoffen geredet. Die Anständigen schweigen zunächst – vornehm – und die Möchte-Gern-Könner spielen den Angeber …. Wer stellt heute die Fragen, wie es weitergehen soll.

Herr Kardinal Reinhard M a r x hört sich selbst die Beichte, gibt sich die Absolution und das Gewurstele und die Geldverschwendung geht wieder eine Runde weiter. Vor Jahren hat mir als Verlagskaufmann, sud. Kommunikation und Münchenen Manger vom Regionalbüro Pan European Publishing, Brüssel, mit Presseausweis des Verbandes der Zeitschriftenverleger seit 1980, ein Freund ein Alpenbuch aus dem Weltbild-Verlag geschenkt.

Nachdem ich Anf. der 1960er Jahre beim Arena-Verlag Würzburg eine Kurzlehre als Verlagskaufmann und Adolf Licht in der Arena-Buchhandlung in der Würzburger Domstraße gleichzeitig begonnen und beendet haben – wußten wir, was der Verband der katholischen Buchhändler und Verleger, der seine Geschäftsstelle Anf. der 1960 durch H Grossmann im Arena-Verlag Würzburg hatte – leistete. Schon damals war der Verlag Herder in Freiburg meilenweit dem Denken der heutigen Bischofskonferenz voraus – und auch denen die den Weltbild – Verlag so aufgeblasen hatten, bis die Schuldenblase platzte.

Leider können sich die wirklich erfahrenen Praktiker gegen die institionalisierten Experten in der öffentlichen Debatte oder auch hinter verschlossenen Türen oft nicht durchsetzen. Wissenschaft hilft manchmal… aber Praktiker und Wissenschaftler in einem Konklave … das würde häufig bessere Ergebnisse zugunsten von sachbezogener Bildung und Motivation für Beteiligte bringen. Aber es ist … leider … Wunschdenken.

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