Wenn der Gegenwind das Ziel in die Ferne rückt, steile Wellen schräg von vorn das Schiff aus dem Ruder drängen, dann wünscht man sich zumindest halben Wind von wo auch immer. So die Hoffnung an den ersten drei der fünf Segeltörntage auf dem Väner-See zwischen dem 20. und 24. August 2015.
Nachdem bereits am Ende des ersten Tages das Großsegel riss, kam der geräuschvolle Außenborder häufiger zum Einsatz als geplant. Immerhin: An den beiden letzten Tagen meinte es der Mitwind gut mit uns. Nur unter Vorsegel trieb er uns mit um die fünf Knoten vor sich her zurück.
Dass den ganzen Tag über die Sonne vom stahlblauen Himmel brannte, machte sich erst abends bemerkbar, als die Gesichtshaut glühte. Das stundenlange Kreuzen gegen einen zwar nur mittelstarken Wind aus Nordost, aber auch gegen die besonders steilen und mit Schaum gekrönten Wellen, die sich üblicherweise im schwedischen Vänern-See schnell aufbauen, brachte uns am ersten Tag nur acht Seemeilen gen Norden in den kleinen Hafen Sikhall des Vänersborger Segelklubs, wo wir mit zerrissenem Großsegel ankamen.
Die Nacht war laut, denn der Segelklub hatte ein paar seiner Sponsoren eingeladen, alles Nichtsegler, die mit Rumsitzen, Angeln, Handygucken, Sauna, Abendessen und Wein bespielt wurden. An den Angelstühlen flatterten noch die Preisschilder und während sie ihre Angeln ins Wasser hielten, studierten sie die Smartphone-Bildschirme. Ausbeute: Ein kleiner Barsch und ein noch kleinerer Babybarsch.
Sonne satt und Gegenwind auch am nächsten Tag. Immerhin war der Gegenwind sehr flau, manchmal gar nicht da. Ein Tag unter Motor. Um Benzin zu sparen, ging es mit nur drei Knoten weiter bis zu dem kleinen, ruhigen Hafen Dalbergså mit angeschlossenem, dünn besiedelten Campingplatz. Er liegt einige hundert Meter aufwärts der Mündung des gleichnamigen Flüsschens. Begrüßung durch Futter fordernde Enten und unzählige schilpende Schwalben. In der warmen Abendsonne paddelten wir mit der Gummijolle noch ein paar hundert Meter weiter flussauf, entlang einer Reihe von Privatanlegebrücken. Eine Schar Wildgänse übte dicht über uns den Formationsflug für den großen Vogelzug im Herbst.
Und wieder blauer Himmel Sonne und leichter Gegenwind schräg von Osten. Die zwei Stunden unter Vorsegel brachten uns nicht einmal außer Sichtweite der Flusseinfahrt zu Dalbergså. Also erneut motoren. Vor Hjortgrundet links ab durch die Untiefen um die Aleskutorna-Schären mit ihren Vogelkolonien.
Im Gegenlicht der untergehenden Sonne war die Hafeneinfahrt von Sunnanå anfangs nur undeutlich auszumachen. Was von Ferne aussah wie das Sägezahndach einer Fabrik, entpuppte sich als die Spitzdächer langer Reihen mit Ferienhütten auf Pontons, die wohl an Fischerhütten erinnern sollen. Hier empfing uns Lärm der Motorboote und Jetskis, die durch die Hafeneinfahrt und zwischen den Schären jaulten. Immerhin war der Gastanleger so leer, dass wir längsseits gehen konnte und so zumindest einen wunderbaren Blick durch die Hafeneinfahrt über die Schären hinaus auf die ruhige Wasserfläche des Sees hatten.
Sunnanå, die Zukunft der Rekreation. So jedenfalls wirbt die riesige Plantafel am Parkplatz neben dem Restaurant an der Straßeneinfahrt zur Hüttenagglomeration. Folgt man jedoch dem riesigen Ortsplan, so zeigt sich schnell, dass die ganze Anlage offenbar zumindest zur Hälfte eine Luftnummer ist. Denn zahlreiche Wege, Straßen und Hüttenreihen, die eingezeichnet sind, gibt es gar nicht. Von dem großen, kreisrunden Hafenbecken, hier „Lagune“ genannt, mit rundum platzieren Hütten existiert nur ein angefangenes Halbrund, auf dem Rest liegen beiseite gesprengte Felsen und Schutthaufen. Von Hütten mit Lagunenblick ist nichts zu sehen. Überhaupt erscheint einem die ganze Ferienanlage eher provisorisch, obwohl die Hütten zu Preisen zwischen 600.000 und 2.000.000 SEK (65.000 bis 220.000 EUR) verkauft wurden. Auch die Tankstelle, auf die wir angesichts unserer inzwischen leeren Kanister gehofft hatten, ist eine Luftnummer. Sie leuchtet zwar Knallgrün am Ende des Hafenbeckens vis-a-vis des Restaurants, ist aber seit Februar aus Sicherheitsgründen geschlossen. Sehr zum Leidwesen des kommunalen Hafenkapitäns, der seitdem die Gastlieger und deren leere Kanister mit dem Auto ins zehn Kilometer entfernte Mellerud fahren muss.
Der Wind hat am vierten Tag wieder aufgefrischt auf stürmische 5 bis 6 m/s – und er kommt direkt von Osten. Wieder genau von vorn – zumindest für die Strecke durch die Aleskutorna bis südlich Hjortgrundet. Motoren durch aufgewühlte See, Konzentration auf Kompass und GPS. Bei Hjortgrundet angekommen hatte der Wind wieder auf Nordost gedreht. Eine gute Gelegenheit, der Fock eine Chance zu geben. Mit Erfolg: Sie blähte sich weit auf und der Mitwind trieb das Schiff mit bis zu fünf Knoten gen Süden bis zurück nach Sikhall.
Der Wind- und Wellenschatten der Gällenäs-Halbinsel brachte uns aber nicht die erhoffte ruhige See in der Bucht vor dem Hafen der Segelgesellschaft. Es war zwar nicht mehr stürmisch, aber doch reichlich windig und die kleinen Wellen schwappten bis zu den Liegeplätzen. Doch sie waren glücklicherweise so sanft, dass wir gut schlafen konnten, vor allem nachdem ich zweimal nachts an Deck ging, um nervige Gleitgeräusche von Tampen mit Handtüchern abzustellen.
Kleine Unterhaltung mit dem Hafenmeister. Dabei Studium der Wettervorhersage des schwedischen Wetterdienstes SMHI auf dem Smartphone und Diskussion eigener Prognosen zur Wetterentwicklung. Ein Wetterwechsel kündigte sich für den folgenden Tag an, mit Windstärken von bis zu 12 m/s, bei denen sich kein schwedischer Segler auf den See trauen würde. Ab mittags Regen und später sogar Gewitter.
Am letzten Tag also Ablegen vor neun Uhr, mit dem Motor raus aus der Bucht und mit Vorsegel und fünf Knoten Richtung Heimathafen Vänersborg. Je mehr der Halleberg an der Ostseite der südlichen Vänernspitze den See einengte, desto höher und steiler wurden die Wellen. Sie umgingen selbst die beiden Wellenbrecher vor dem Jachthafen. Erst im alten Hafenkanal kam Ruhe ins Schiff.
Kaum war „Adela“ vertäut, versorgt und die Fock geborgen, kam auch schon der Regen, in der Ferne drohten Gewitterwolken. Das Gewitter mit gewaltigen Sturmböen erlebten wir aber bereits auf unserer Terrasse, wo sich rundherum die Bäume bogen und vom See das Brandungstosen bis hier hinauf tönte. Für ein paar Sekunden setzte sogar der Strom aus.
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