Monat: April 2016

Skagerrak – Europas Mülltonne

Schwedische Küstenforscher schlagen Müll-Alarm. 20.000 Müllteile pro hundert Meter Strandlinie: Seit drei Jahren türmt sich an Schwedens und Norwegens Westküsten immer mehr Müll.

Noch um die Jahrtausendwende zählten die Forscher nur 1.000 bis 1.200 Müllteile auf hundert Metern, wie Per Nilsson von der Universität Göteborg am 18. April 2016 gegenüber dem schwedischen Fernsehen SVT Väst erklärte[1].

Bis zu 96 Prozent der Müllflut ist Plastik – und damit eine tödliche Gefahr für Meerestiere und Vögel. Denn sie verwechseln die Plastikteile mit Nahrung und verhungern mitunter bei vollem Magen. Schlimmer noch: Meereswellen zerreiben die Kunststoffe zu winzigen Partikeln, die sogar von mikroskopisch kleinen Krebstieren gefressen werden, die ziemlich am Anfang der marinen Nahrungsketten stehen und die Grundnahrung für Fische sind.

„Ob das jetzt ein zufälliger Anstieg oder ob es ein langfristiger Trend ist, wissen wir nicht. Aber wir sind beunruhigt,“ sagte Per Nilsson im Fernsehen. „Bohuslän, die Landschaft nördlich von Göteborg, ist eines der Gebiete, das in Europa das größte Problem hat. Hier finden wir den meisten Müll unter allen Küsten am Nordatlantik.“

Mit gerade einmal 236 Müllteilen auf 100 Meter Nordseestrand[2] oder gar nur 60 Teilen auf 100 Meter Ostseestrand[3] erscheinen die deutschen Küsten geradezu sauber. Aber nur deshalb, weil Meeresströmungen den größten Teil des Unrats von den englischen und kontinentaleuropäischen Küsten genau ins Skagerrak spülen, wo inzwischen ein ausgedehnter Müllwirbel rotiert.

Reise des Meeresmülls

Reise des Meeresmülls

In der Nordsee dreht sich nämlich die Strömung wie ein großer Kreisel gegen den Uhrzeigersinn vom Atlantik, entlang der englischen, belgischen, niederländischen, deutschen und dänischen Küsten bis hinein ins Skagerrak. Zusätzlich fängt der Strudel auch den Abfall aus der Strömung ein, die die Ostsee entlang der schwedischen Westküste verlässt. So ist es zu erklären, dass 80 Prozent des Mülls aus den nicht-skandinavischen Nord- und Ostsee-Anrainerstaaten stammen, auch aus Deutschland.

Neu ist das für Experten nicht. Neu ist die schnelle Zunahme. Erstmals berichtete vor genau drei Jahren das norwegische Fernsehen über eine besorgniserregende Beobachtung von Liv-Marit Hansen, einer Mitarbeiterin des Oslofjord-Freizeit-Rates. Bei einer einmaligen Sammelaktion an den Ufern des Schären-Nationalparks Hvaler am östlichen Eingang des Oslofjords zählte sie schon damals mehr als 20.000 Müllteile auf hundert Meter[4] – Müll der nicht aus Norwegen stammt. Aber die EU-Küstenanrainer, zu denen Norwegen nicht gehört, beginnen erst jetzt, acht Jahre nach Inkrafttreten der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie[5], Maßnahmen zu ergreifen, um der Meeresvermüllung Einhalt zu gebieten[6]. Doch es scheint fraglich, ob sich das Ziel erreichen lässt, in den nächsten vier Jahren die EU-Müllmengen so weit zu reduzieren, dass sie keine Gefahr mehr für Meereslebewesen und -ökosysteme darstellen.


[1] http://www.svt.se/nyheter/lokalt/vast/vastkusten-skrapigast-i-hela-europa

[2] http://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-ueber-die-belastungssituation-der-deutschen

[3] http://www.regierung-mv.de/serviceassistent/_php/download.php?datei_id=1570123

[4] http://www.nrk.no/ostfold/mer-soppel-langs-kysten-1.10988284

[5] http://www.meeresschutz.info

[6] http://norden.diva-portal.org/smash/get/diva2:824655/FULLTEXT01.pdf


Karte: Wikimedia Commons. Halava using GRASS GIS, Inkscape and GIMP. Verändert vom Autor.