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Kategorie: 5 Erde
Umwelt, Meere, Ozean, Klima
Klima – Krise, Katastrophe, Wandel, Chance
Neues zum Klima – jeden Freitag neu
Meine Artikel bei MIT Technology Review:
- Klimaerwärmung,
- Nebenwirkungen und Extremwetter,
- Anpassung,
- Ideen, die helfen könnten, die Auswirkungen irgendwie abzumildern.
Vergesst die Versprechungen der Technik
Der Glaube an technische Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels hat seit 40 Jahren dazu beitragen, dass notwendige kulturelle, soziale und politische Transformationen versäumt wurden.
Seit über 120 Jahren hat die Menschheit eine Ahnung davon, wie das Klima der Erde funktioniert. 1896 hatte nämlich der Physiker und Chemiker Svante Arrhenius ein erstes, sehr einfaches Klimamodell veröffentlicht. Mit dem 3. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses über den Klimawandel (IPCC) von 2001 wurde endgültig klar, dass der Mensch mit großer Sicherheit das Klima beeinflusst.
Aber es war schlimmer als gedacht: In einem Update von 2009 zum 4. Sachstandsbericht mussten die IPCC-Autoren zugeben, dass ihre Modelle die Auswirkungen der Klimaerwärmung noch viel zu milde berechnet hatten. Das Arktiseis verschwand um 40 Prozent schneller, der Meeresspiegel dagegen stieg um 80 Prozent stärker an, als die Modelle errechnet hatten.
Dabei hatten sich 1979 bereits Experten zur Ersten Weltklimakonferenz (WCC1) zusammengefunden, um Möglichkeiten zu diskutieren, wie man die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen eindämmen könnte. Sie warnten bereits damals vor den Folgen der bis heute weiter zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe.
40 Jahre kein Weiterkommen
Seit mindestens 40 Jahren wurden bis heute keine nennenswerten Schritte zur Eindämmung des CO2-Anstiegs unternommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Technik mit immer neuen Ideen kam, wie sich das CO2 aus der Atmosphäre entfernen lassen könnte. Nur damit die Industrie mit weiterhin steigender Kohle-, Öl- und Gasverbrennung wachsen kann.
Es waren allesamt leere Versprechungen. Dazu gehören Kernfusion, gigantische Anlagen mit CO2-Saugern, Wiederherstellung von Eisflächen mit Millionen von windbetriebenen Pumpen, Partikel in die Stratosphäre sprühen, Ozeane mit Eisen düngen, riesige Landflächen mit Wald bepflanzen oder mit Basaltkies bestreuen. Den Apologeten war weder die Zeitdimension klar, in der gehandelt werden muss, noch welche enormen Flächen für die Ernährung verloren gehen würden oder dass in Pflanzen gebundener Kohlenstoff dort auch wieder frei wird.
Folgen leerer Versprechungen
Der fatale Effekt: Die politischen Entscheider glaubten, dass die Technik es schon richten wird. Das befördert seit 40 Jahren eine Politik der Aufschiebung, der Definition immer neuer Klimaziele und vor allem falsche Anpassungsentscheidungen.
Akribisch nachweisen konnten das jetzt Duncan McLaren und Nils Markusson vom Umweltzentrum der Universität Lancaster in ihrem Artikel „Die Co-Evolution technologischer Versprechen, Modellierung, Politik und Klimawandelziele“, schienen in „Nature Climate Change“ (https://doi.org/10.1038/s41558-020-0740-1).
Duncan erforscht Gerechtigkeitsfragen des Climate Engineering, Markusson die Politik der Umwelttechnik.
Sie stellen fest, dass die fatale gemeinsame Entwicklung von Zielen, Modellen und Technologien letzten Endes dazu führt, notwendige Handlungen zu verzögern.
In ihrem Artikel heißt es: „Jedes neue Versprechen konkurriert nicht nur mit existierenden Ideen, sondern spielt auch jeden Sinn für die Dringlichkeit herunter und ermöglicht so immer wieder das Hinauszögern politischer Ziele für Klimamaßnahmen. Es zersetzt damit auch das gesellschaftliche Engagement für sinnvolle Antworten.“
Die Kurve flach halten
Hier drängt sich die Analogie zur Corona-Krise auf: Die Kurve flach halten. Aufs Klima bezogen: Die Erwärmung so niedrig halten, dass die Menschheit es gerade noch so ertragen kann.
Es waren gesellschaftliche Verhaltensänderungen, die die Kurve der Infektionen flach hielten, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht. Technische Lösungen allein, wie einfacher Mund-Nasenschutz könnten dagegen dazu verführen, nicht mehr den physischen Abstand einhalten zu müssen, um Infektionen zu verringern. Zuerst kamen also die Verhaltensänderungen, dann erst technische und organisatorische Lösungen, die sich aber je nach zukünftigen Trends fexibel und adäquat anpassen lassen.
„Unsere Hoffnungen auf immer neue Technologien zu stützen ist nicht weise. Stattdessen ist es lebenswichtig, eine breite Entwicklung sowohl von Verhaltens- wie auch technologischen Antworten auf den Klimawandel zu ermöglichen“, resümieren Duncan und Markusson.
Aber genau das konterkarierte Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt auf dem diesjährigen Petersberger Klimadialog. „Es gehe ihr darum, ‚deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern in zukuftsfähige Technologien investieren‘„, zitierte die Taz am 28. April 2020 aus ihrem Redebeitrag.
Ergänzung 2020-05-05: Den Kindern und Jugendlichen der Fridays-fo-Future-Bewegung ist schon länger klar, dass das Warten auf technische Lösungen die Bedrohung durch den Klimawandel eher verstärkt – bevor Duncan McLaren und Nils Markusson jetzt auch den oben dargestellten wissenschaftlichen Hintergrund publizierten.
Am Tag, bevor die EU-Kommission am 4. März 2020 ihren Vorschlag für ein erstes europäisches Klimagesetz im Rahmen des European Green Deal vorstellte, schrieben sie einen offenen Brief an die Führungskräfte der EU. Darin heißt es:
„Und solange wir nicht über die Technologien verfügen, mit denen wir unsere Emissionen im großen Maßstab auf ein Minimum reduzieren können, können wir die „Nullbilanz“ oder „Kohlenstoffneutralität“ vergessen. Wir brauchen eine echte Null. […]
Und da diese Technologien für negative Emissionen, auf die Sie Ihr ganzes Vertrauen gesetzt haben, heute in dieser Größenordnung nicht existieren, müssen wir einfach damit aufhören, bestimmte Dinge zu tun. Auch wenn das bedeutet, dass wir unsere Wirtschaft verändern müssen.“
Dieser Text erschien auch auf https://teli.de
Zehn Jahre nach Al Gores Präsentation und Film „The Inconvenient Truth“ (Unbequeme Wahrheit) wurde es Zeit die Welt erneut aufzurütteln. Jetzt ist es Leonardo DiCaprio, der am 30 Oktober 2016 seinen Film „Before the Flood“ (Vor der Flut) veröffentlichte. Binnen zwei Tagen klickten rund 5,5 Millionen Zuschauer den spielfilmlangen Dokumentarfilm mit seinen beeindruckenden Bildern und Aussagen an. – Aber: Es sind gerade die „Grün“ wählenden und denkenden Bürger, die sich sicherlich auch besonders bei Klimawochen engagieren, die am häufigsten ins Flugzeug steigen. Auch beim Energieverbrauch gibt es Korrelationen: Je höher Einkommen und formale Bildung, umso höher das Umweltbewusstsein, umso höher aber auch der Energieverbrauch – wenn man von einer kleinen Gruppe konsequent Handelnder absieht.
Weiterlesen auf: Wissenschaftsdebatte.de
Kohlenstoffbürokrat:
Der Klima-Nerd auf dem Hausboot
Zwei Drittel der wichtigsten Klimagasemissionen entstammen nur 90 Firmen auf der Welt, freigesetzt aus der Verbrennung fossiler Treibstoffe, Methanlecks und der Zementherstellung. Die Unternehmen emittieren die Gase entweder selbst oder ihre Kunden tun es: die Konsumenten und weitere Industrien.
Deepwater Horizon am 20. April 2010 (c) US Coast Guard via Wikimedia Commons
Die Studie erschien bereits 2013 im wissenschaftlichen Peer-Review-Magazin „Climatic Change“. Damals erregte seine Arbeit in Expertenzirkeln einiges Aufsehen.
Wirtschaftsexperten hielten es für unfair, die Produzenten von Produkten an den Pranger zu stellen, die schließlich nur das auf den Markt bringen, wonach Konsumenten und Kunden verlangen.
Umweltrechtler sahen das anders. Für sie wurde durch die Veröffentlichung endlich der Mythos zerstört, das jedermann verantwortlich für die Treibhausgasbelastungen ist – wenn jeder verantwortlich sei, dann ist es keiner.
Der Autor der Studien, der Geograf Richard Heede, formuliert es so: „Als Konsument habe ich eine gewisse Verantwortung für mein Auto, ja. Aber wir leben in einer Illusion, wenn wir glauben, wir hätten eine Wahl. Denn es ist in erster Linie die Infrastruktur, die diese Wahl für uns trifft.“
Dass Heedes Arbeit jetzt wieder im Licht der Öffentlichkeit steht, liegt an einer Vorladung, die er und die großen US-Umweltorganisation vom Lamar Smith erhielten, einem harten Klimaskeptiker und dem Vorsitzender des Komitees für Wissenschaft, Weltraum und Technologie des US-Repräsentantenhauses. Sie steht im Zusammenhang mit einer Klage gegen ExxonMobile, das beschuldigt wird, Zweifel am Klimawandel in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, auch gegen die Überzeugungen der eigenen Wissenschaftler. Smith witterte eine Konspiration zwischen dem Staatsanwalt und den Umweltanwälten. Deshalb forderte von den US-Umweltverbänden die Offenlegung der Korrespondenz und anderer Unterlagen, darunter auch die von Heede.
Heede, in Norwegen geboren, ist ein echter, detailversessener Nerd. Er arbeitet allein in einem gemieteten Hausboot in der San Francisco Bay inmitten von Aktenordner-Stapeln vor zwei Monitoren. In den frühen 2000er Jahren erhielt er einen Vertrag vom Klimagerechtigekeitsprogramm von Greenpeace International in London, um die Klimabilanz von ExxonMobile zu untersuchen. Das dauerte 15 Monate. Greenpeace gab ihm eine Stipendium, um auch die gesamte Fossilindustrie zu untersuchen. Es dauerte acht Jahre, um von überall auf der Welt detaillierte Produktionsdaten zusammenzuklauben. In dieser Zeit endete das Stipendium, sein Beratungsunternehmen ging pleite, er reizte seine Kreditkarte aus, machte Schulden und verlor schließlich sein Haus. Mit kleinen Hilfen und Verträgen hielt er sich über Wasser. Jetzt will er mit seinen Daten, die bis 1751 zurück reichen, ein mathematisches Modell bauen, dass den Einfluss der 90 großen Ölkonzerne in die Zukunft projizieren soll.
Aber der Nerd macht auch kein Hehl daraus, dass er die Ölindustrie bewundert. Er sagte dem Wissenschaftsmagazin „Science“: „Sie haben fantastische Anstrengungen unternommen, um Ressourcen für die Verbesserung der Menschheit zu finden,“ oft unter extremsten Umweltbedingungen. Sie hätten einen so großartigen Job gemacht, dass wir nicht dazu kamen, einmal Pause zu machen und über die unerwünschten Auswirkungen nachzudenken. „Jetzt müssen wir mit dem Resultat umgehen.“
Die ganze Geschichte von Richard Heede, von seiner anfänglichen Wissenschaftlerkarriere bis zu seinem Leben in einfachsten Verhältnissen, von seiner weltweiten Suche nach belastbaren Daten, hat das Wissenschaftsmagazin „Science“ aufgeschrieben. Dort findet sich auch eine animierte Grafik seiner Daten von 1885 bis 1913: http://www.sciencemag.org. Zusatz-Datenmaterial als DOCX-Datei.
Die Homepage von Richard Heedes »Climate Mitigation Services«
Skagerrak – Europas Mülltonne
Schwedische Küstenforscher schlagen Müll-Alarm. 20.000 Müllteile pro hundert Meter Strandlinie: Seit drei Jahren türmt sich an Schwedens und Norwegens Westküsten immer mehr Müll.
Noch um die Jahrtausendwende zählten die Forscher nur 1.000 bis 1.200 Müllteile auf hundert Metern, wie Per Nilsson von der Universität Göteborg am 18. April 2016 gegenüber dem schwedischen Fernsehen SVT Väst erklärte[1].
Bis zu 96 Prozent der Müllflut ist Plastik – und damit eine tödliche Gefahr für Meerestiere und Vögel. Denn sie verwechseln die Plastikteile mit Nahrung und verhungern mitunter bei vollem Magen. Schlimmer noch: Meereswellen zerreiben die Kunststoffe zu winzigen Partikeln, die sogar von mikroskopisch kleinen Krebstieren gefressen werden, die ziemlich am Anfang der marinen Nahrungsketten stehen und die Grundnahrung für Fische sind.
„Ob das jetzt ein zufälliger Anstieg oder ob es ein langfristiger Trend ist, wissen wir nicht. Aber wir sind beunruhigt,“ sagte Per Nilsson im Fernsehen. „Bohuslän, die Landschaft nördlich von Göteborg, ist eines der Gebiete, das in Europa das größte Problem hat. Hier finden wir den meisten Müll unter allen Küsten am Nordatlantik.“
Mit gerade einmal 236 Müllteilen auf 100 Meter Nordseestrand[2] oder gar nur 60 Teilen auf 100 Meter Ostseestrand[3] erscheinen die deutschen Küsten geradezu sauber. Aber nur deshalb, weil Meeresströmungen den größten Teil des Unrats von den englischen und kontinentaleuropäischen Küsten genau ins Skagerrak spülen, wo inzwischen ein ausgedehnter Müllwirbel rotiert.
In der Nordsee dreht sich nämlich die Strömung wie ein großer Kreisel gegen den Uhrzeigersinn vom Atlantik, entlang der englischen, belgischen, niederländischen, deutschen und dänischen Küsten bis hinein ins Skagerrak. Zusätzlich fängt der Strudel auch den Abfall aus der Strömung ein, die die Ostsee entlang der schwedischen Westküste verlässt. So ist es zu erklären, dass 80 Prozent des Mülls aus den nicht-skandinavischen Nord- und Ostsee-Anrainerstaaten stammen, auch aus Deutschland.
Neu ist das für Experten nicht. Neu ist die schnelle Zunahme. Erstmals berichtete vor genau drei Jahren das norwegische Fernsehen über eine besorgniserregende Beobachtung von Liv-Marit Hansen, einer Mitarbeiterin des Oslofjord-Freizeit-Rates. Bei einer einmaligen Sammelaktion an den Ufern des Schären-Nationalparks Hvaler am östlichen Eingang des Oslofjords zählte sie schon damals mehr als 20.000 Müllteile auf hundert Meter[4] – Müll der nicht aus Norwegen stammt. Aber die EU-Küstenanrainer, zu denen Norwegen nicht gehört, beginnen erst jetzt, acht Jahre nach Inkrafttreten der Europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie[5], Maßnahmen zu ergreifen, um der Meeresvermüllung Einhalt zu gebieten[6]. Doch es scheint fraglich, ob sich das Ziel erreichen lässt, in den nächsten vier Jahren die EU-Müllmengen so weit zu reduzieren, dass sie keine Gefahr mehr für Meereslebewesen und -ökosysteme darstellen.
[1] http://www.svt.se/nyheter/lokalt/vast/vastkusten-skrapigast-i-hela-europa
[2] http://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-ueber-die-belastungssituation-der-deutschen
[3] http://www.regierung-mv.de/serviceassistent/_php/download.php?datei_id=1570123
[4] http://www.nrk.no/ostfold/mer-soppel-langs-kysten-1.10988284
[5] http://www.meeresschutz.info
[6] http://norden.diva-portal.org/smash/get/diva2:824655/FULLTEXT01.pdf
Karte: Wikimedia Commons. Halava using GRASS GIS, Inkscape and GIMP. Verändert vom Autor.
Impressionen aus dem südlichen Afrika
Bilder von einer Reise durch Mosambique, Simbabwe, Sambia und Namibia.
Diashow (Länge 12:30 Minuten)
Ausbooten vor Inhaca, Mosambik
Meeresbiologisches Forschungsinstitut auf Inhaca, Mosambik
Snack Bar Marujo am Strand von Inhaca
Bau einer Mbira, eines traditionellen Musikinstruments, in Maputo, Mosambik
Jam-Session in Maputo, Mosambik
Der Zug von Bulawayo nach Victoria Falls, Simbabwe
Victoria-Fälle von Simbabwe aus
Great Zimbabwe: Königssitz und „Palast“
Eingang in die große Ringmauer von Great Zimbabwe
Rhino am Wasserloch in Etosha, Namibia
Dekoration an einer Tankstelle in Solitaire, Namibia
Dekoration des Campingplatzes Garaspark, Namibia
Krankenzimmer des Hospitals der Geisterstadt Kolmanskop, Namibia
Namib-Dühnen um Death Vlie, Namibia
Lied gesungen von Teilnehmern eines Lese- und Schreiblernkurses in Thokoza, Südafrika (Länge 03:11 Minuten)
Bilder: Marlene Stadie (www.marlene-stadie.de), Hanns-J. Neubert
Welt-Klimakonferenz Hamburg 2015
Kiribati also. Das ist einer der Inselstaaten im Pazifik, der wohl in den nächsten 50 bis 60 Jahren untergehen wird. Als vierköpfige Delegation des Staates Kiribati sollten wir bei der Welt-Klimakonferenz Hamburg 2015 das Beste herausholen. An dem Tag, der auch der letzte der echten Welt-Klimakonferenz in Paris war, die an diesem Abend aber bereits in die Verlängerung gegangen war.
18 Experten beraten Delegationen
700 »Delegierte« aus 195 Staaten der Welt saßen am 11. Dezember 2015 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und ließen sich sechs Klimaexperten aus Wissenschaft und Politik über die neueste Entwicklung des Weltklimas informieren. Dazu gehörte die graue Eminenz der deutschen Klimaforschung, Hartmut Graßl, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, in den 1990er Jahren Direktor des Weltklimaforschungsprogramms bei der Welt-Meteorologieorganisation der UNO in Genf. Mit dabei auch Mojib Latif, Ozeanograph und Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und Rosemarie Benndorf, gelernte Obstgärtnerin, studierte Meteorologin und Mitglied der deutschen Delegation bei den Welt-Klimakonferenzen 2000 bis 2011. Insgesamt 18 hochrangige Experten aus Natur- und Kulturwissenschaften, aus Politik und Wirtschaft waren aus halb Deutschland angereist, um den Delegationen zu helfen, einen Klimakompromiss zu finden, der die Welt vor dem Wärmetod retten könnte.
Das Wissen der Experten legte die Grundlage für die nachfolgenden Meetings, Coachings und bilateralen Gespräche, zu denen die Delegierten im 20-Minuten-Rhythmus immer wieder andere Konferenzräume im Schauspielhaus ansteuerten.
Ein bilaterales Gespräch
Für uns, die Delegation von Kiribati, war ein bilaterales Gespräch mit der Delegation von Turkmenistan angesetzt. Aber worüber können sich Vertreter eines Landes, das in ein paar Jahrzehnten von der Weltkarte verschwunden ist, mit der Delegation eines zwar sehr armen, unter Wassermangel leidenden Landes unterhalten, dessen Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf seinen bisher nicht ausgebeutete Öl- und Gasreserven liegen?
Coaching
Die Entwicklungsländer hätten in den vergangenen 20 Jahren immer wieder darin versagt, ihre Forderungen durchzusetzen. Schließlich hätte jedes von ihnen, genau wie die reichen Staaten, eine Stimme gehabt, mit der sie hätten Druck ausübern können. So Toralf Staud, Journalist, Autor von »Wir Klimaretter. So ist die Wende noch zu schaffen« und Mitbegründer von »klimaretter.info«, der als als Coach und Einpeitscher für die Delegierten der Entwicklungsländer fungierte. Deren Delegationen saßen dicht gedrängt wie auf Hühnerleitern in der dunklen Hinterbühne des Schauspielhauses und schauten auf Hauptbühne, die Sonnenseite der Erde. Dort ließen es sich die Delegierten der reichen Länder in Liegestühlen und mit Kopfhörern auf den Ohren entspannt unter den großen Bühnenscheinwerfern gut gehen.
Vor der Schlusskonferenz gaben alle Delegationen ihre Zusagen ab, wieviel CO2 ihre Staaten einsparen, wieviel Geld sie in den grünen Klimafundus, den Green Climate Fund, einzahlen und ob sie Geld aus dem Fundus beantragen wollen. die Präsentation der Daten zeigte, dass die 700 Delegierten in Hamburg sehr wohl bereit waren, die Klimaerwärmung nachhaltig zu reduzieren. Die Konferenz war in dieser Hinsicht noch erfolgreicher als das Pariser Vorbild. Was allerdings wie in Paris offen blieb, waren Umsetzungs- und Kontrollregeln.
Bericht aus Paris
In einer Lifeschalte berichtete der Journalist Nick Reimers, ebenfalls ein Mitbegründer von »klimaretter.info«, vom Stand der Verhandlungen bei der Welt-Klimakonferenz COP21 in Paris. Eindrücklich zeigte der Moderator dazu, wie viele strittige Wort- und Satzformulierungen im Entwurf Pariser Abschlusserklärung noch mit bunten Klammern markiert waren.
Zielgruppe erreicht
Es war das vierte Mal, dass die Hamburger Gelegenheit hatte, am eigenen Leib zu erfahren, wie es auf einer Welt-Klimakonferenz zugeht und welche zum Teil erheblichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekte derartige Verhandlungen bestimmen. Den 2.800 überwiegend jungen Menschen konnte die Inszenierung eine Ahnung von der Komplexität der physikalischen und chemischen Zusammenhange des Lebenserhaltungssystems Erde vermitteln. Geichzeitig zeigte sie aber auch, wie kompliziert globale menschliche Zusammenhänge und Situationen jenseits lokalen Handelns sind, die es so schwer machen, gemeinsame Ziele auszuhandeln.
Inszeniert wurde die organisatorische und inhaltliche Meisterleistung vom Regietrio »Rimini Protokoll« mit Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel.
Weitere Informationen auf der Seite des Deutschen Schauspielhauses:
http://schauspielhaus.de/de_DE/kalender/welt_klimakonferenz.12287278
Das Konzept mit Filmen der Veranstaltungen findet sich auch auf den Seiten von »Rimini Projekt«:
http://www.rimini-protokoll.de/website/de/project_6528.html
Es reicht nicht …
2015-10-14: Die Industriestaaten sind nicht bereit, ihren CO2-Ausstoß so weit herunter zu schrauben, dass die Erderwärmung unter der magischen Zwei-Grad-Grenze bleibt.
Im Vorfeld des UN-Klimagipfels, der am 30. November 2015 in Paris beginnt, wurden die Regierungen gebeten, Zusagen über ihre beabsichtigten CO2-Reduktionen einzureichen. Jetzt liegen die Versprechungen von 19 Regierungen vor[1], deren Staaten zusammen für 71 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich sind.
Danach wird das Zwei-Grad-Ziel wohl weit verfehlt werden. Bis 2030 wird die Erde dann wohl 2,7 Grad wärmer als zu Beginn der Industrialisierung 1850 werden, bis 2100 sogar 3,3 bis 3,8 Grad.
Das Zwei-Grad-Ziel ist ein politisch gesetzter Wert, der auf wissenschaftlich begründeten Schätzungen zu wahrscheinlichen Folgen der Klimaerwärmung beruht. Es ist als Wegmarke gedacht, ab der zwar nicht sofort der Weltuntergang kommt, ab der aber die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sogenannte Kipp-Punkte im Klimasystem unbeherrschbare Naturkatastrophen auslösen. Selbst wenn sich die Erdtemperatur bei zwei Grad stabilisieren sollte, werden die Gletscher und das Polareis dennoch weiter schmelzen.
Der Klimaforscher Chris Field von der Stanford Universität, USA, ist deswegen besorgt. Er sagte gegenüber dem britischen Guardian: »Wir haben bis jetzt ein globale Erwärmung von fast einem Grad seit der industriellen Revolution, und sahen bereits weit verbreitete Auswirkungen, die echte Konsequenzen für Menschen hatten. Wir sollten deshalb danach streben, die Erwärmung so weit wie möglich unter zwei Grad zu halten. Aber dazu gehört ein Ehrgeiz, den wir bisher nicht sehen.«[2]
Dagegen mag der Klimakommissar der EU-Kommission, Miguel Arias Canete, die Hoffnung nicht aufgeben. Er sagte in einem Interview mit Associated Press: »In einigen der G20 Länder ist noch genug Manövriermasse, um die Ambitionen zu verstärken«[3]
Obwohl vieles darauf hindeutet, dass das Abschlussdokument von Paris nicht ausreichen wird, das Klima so zu stabilisieren, wie es für die Menschheit notwenig wäre, versuchen die Klimapolitiker Hoffnung zu verbreiten. Ein erster 20-Seiten-Entwurf für einen Klimavertrag kursiert bereits[4], aber schon jetzt Signalisieren einige Regierungen, dass sie mit diesem Diskussionsentwurf gar nicht glücklich sind.
[1] Climate Action Tracker (2015-10-01): INDCs lower projected warming to 2.7°C: significant progress but still above 2°C. http://climateactiontracker.org/news/224/INDCs-lower-projected-warming-to-2.7C-significant-progress-but-still-above-2C-.html
[2] McKIE, Robin (2015-10-10): World will pass crucial 2C global warming limit, experts warn. The Guardian. http://www.theguardian.com/environment/2015/oct/10/climate-2c-global-warming-target-fail
[3] RITTER, Karl (2015-10-12): AP Interview: EU climate boss says G20 countries can improve pledges to cut emissions. Associated Press. http://www.usnews.com/news/business/articles/2015/10/12/ap-interview-eu-climate-boss-says-emissions-cuts-not-enough
[4] WILLIAMS, steve (2015-10-13): The Paris Climate Deal first draft is out: Here’s what you need to know. Care2: The Global Warming Case. http://www.care2.com/causes/the-paris-climate-deal-first-draft-is-out-heres-what-you-need-to-know.html#ixzz3oTsuXcqX
Luftverschmutzung:
Mehr als nur Volkswagen
Mit kriminellen Mitteln versuchte Volkswagen in den USA Kunden und Behörden zu täuschen. Mehr noch: Der Konzern gefährdete damit Leben. Doch Autos sind nicht die einzige Quelle für Abgase, die zu frühzeitigen Todesfällen führen. Auch Landwirtschaft und Seeschiffahrt tragen dazu bei.
Die Nachricht von den manipulierten Abgaswerden der VW- und Audi-Dieselautos in den USA hat es am vergangenen Sonnabend endlich auch in die Tagesschau geschafft[1]. Volkswagen gab inzwischen zu, die US-Umweltschutzbehörde und das kalifornische Gremium für Luftreinhaltung hinters Licht geführt zu haben[2].
Als „Clean Diesel“ beworben, verdrecken die VW- und Audi-Dieselmodelle in die USA seit sechs Jahren die Luft mit bis zu 40-mal höheren Abgaswerten als die Werbung behauptet und Prüfstandsmessungen scheinbar belegen. VW hat seiner Steuerungssoftware einen Betrugsalgorithmus eingepflanzt, der erkennt, wenn ein Fahrzeug auf dem Abgasprüfstand gecheckt wird[3]. Genau dann regelt die Software die Abgaswerte herunter.
Scheinheilig
Gestern endlich raffte sich der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, auch für Forschung in Entwicklung verantwortlich, zu einer Entschuldigung auf[4]. Interessanterweise betont er: „Volkswagen duldet keine Regel– oder Gesetzesverstöße jedweder Art.“ Aber genau das hat VW seit 2009 getan. Um ein derartig ausgefeiltes Betrugssystem zu installieren bedarf es einer Management-Anweisung auf recht hoher Ebene.
Weiter heißt es in Winterkorns Entschuldigung: „… dafür alles Erforderliche tun, um Schaden abzuwenden.“
Dabei weiß er genau, dass das nicht möglich ist. Die Schadstoffe sind nun mal in der Luft. Allen voran Stickoxide (NOX), die zur Ozon- und Feinstaubbildung beitragen und damit zu vorzeitigen Todesfällen.
Frühzeitige Todesfälle
Jetzt liegt natürlich die Frage auf der Hand, ob Volkswagen auch in Deutschland Behörden und Kunden an der Nase herum führt und so zum frühzeitigen Tod von Menschen beiträgt. Was Volkswagen recht ist, könnte auch BMW, Ford, Mercedes und Opel billig sein.
In Deutschland sterben doppelt so viele Menschen viel zu früh an den Folgen von Autoabgasen wie an Autounfällen, nämlich rund 7.000 Menschen pro Jahr. Berechneten haben das jüngst Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie[5]. Weltweit tragen die Abgase aus dem Straßenverkehr mit fünf Prozent zu vorzeitigen Todesfällen bei, in Deutschland aber mit rund 20 Prozent.
Auch Landwirtschaft und Schifffahrt
Überraschenderweise ist aber die Landwirtschaft eine wichtige Ursache für schlechte Luft. Die übermäßig eingesetzten Düngemittel setzen chemische Reaktionen in Gang, die am Ende zur Bildung von Feinstaubpartikeln führen. Global gesehen ist die Landwirtschaft die Ursache von einem Fünftel aller frühzeitigen Todesfälle durch Luftverschmutzung. In Deutschland liegt dieser Anteil aber sogar bei über 40 Prozent, errechneten die Max-Planck-Forscher.
Die angeblich so sauberen Dieselmotoren von Autos, wie VW und Audi sie auf den Markt bringen, sind übrigens genauso dreckig wie die Abgase von Schiffen, unter denen viele Küstenstädte leiden. Das haben Forscher des Virtuellen Helmholtz Instituts HICE festgestellt, das von der Universität Rostock und dem Helmholtz Zentrum München geleitet wird[6]. So überrascht es nicht, dass schwedische Wissenschaftler jüngst gemessen haben, dass die Hälfte aller Nanopartikel in Küstenstädten aus der Seeschifffahrt stammt[7].
Vor diesem Hintergrund ist es völlig absurd, Kreuzfahrtschiffe bis tief hinein in Innenstädte schwimmen zu lassen, wie in Hamburg.
Steuergelder gegen Green-washing
Es wäre eine Recherche wert herauszufinden, wie viel Steuergelder ausgegeben werden, um Betrugs-, Verschleierungs- und Beschönigungsversuche (green-washing) der Industrie aufzudecken, wie jetzt am Beispiel Volkswagen geschehen. Denn Forschungsprojekte und Messkampagnen, wie die oben genannten, sind teuer. Und alles nur, weil Unternehmen die Verantwortung auf den Staat und die Bürger abwälzen und sich öffentlicher und transparenter Kontrollen an den Quellen in den Fabriken, den Produktions- und Designprozessen verweigern.
Verantwortungslos (2015-09-22)
Inzwischen hat sich auch der US-CEO von VW, Michael Horn, entschuldigt – aber nur dafür, dass VW die US-Behörden und die eigenen Kunden getäuscht hat. Kein Wort darüber, dass die Abgase nun mal in der Luft sind und allen Menschen schaden. Das hat wenig bis nicht mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu tun, aber viel mit PR, Lüge und Green-washing.
Spiegel-Online hat gut aufgelistet, wie die Täuschung aufflog und welche gerissenen Methoden VW benutzte, um alle zu täuschen:
- BLINDA, Antje (2015-09-21): Test mit Überraschung: So kamen die US-Behörden VW auf die Spur. http://www.spiegel.de/auto/aktuell/volkswagen-skandal-wie-die-us-behoerden-vw-auf-die-spur-kamen-a-1053972.html
- HUCKO, Margret und Jürgen PANDER (2015-09-22): VW-Manipulation in den USA: Der schmutzige Trick mit den Abgaswerten. http://www.spiegel.de/auto/aktuell/volkswagen-so-hat-vw-bei-den-tests-getrickst-a-1053990.html
[1] Tagesschau (2015-09-19): Volkswagen droht Bußgeld in den USA, http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-117929.html
[2] PLUNGIS, Jeff (2015-09-19): Volkswagen Admits to Cheating on U.S. Emissions Tests. BloomberBusiness. http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-09-18/epa-says-volkswagon-software-circumvented-car-emissions-testing PLUNGIS; Jeff (2015-09-19): VW `Clean Diesel‘ Scheme Exposed as Criminal Charges Weighed. http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-09-19/vw-clean-diesel-scheme-exposed-as-u-s-weighs-criminal-charges
[3] EPA California Notify Volkswagen of Clean Air Act Violations (2015-09-18): Carmaker allegedly used software that circumvents emissions testing for certain air pollutants. http://yosemite.epa.gov/opa/admpress.nsf/bd4379a92ceceeac8…35900400c27/dfc8e33b5ab162b985257ec40057813b!OpenDocument Air Resources Board (2015-09-18): Letter to CEOs of Volkswagen Group of America. http://www.arb.ca.gov/newsrel/in_use_compliance_letter.htm
[4] Statement of Prof. Dr. Martin Winterkorn, CEO of Volkswagen AG (2015-09-20): https://www.volkswagen-media-services.com/detailpage/-/detail/Statement-of-Prof-Dr-Martin-Winterkorn-CEO-of-Volkswagen-AG/view/2709406/7a5bbec13158edd433c6630f5ac445da?p_p_auth=W9vBRy1h
[5] BENNER, Susanne (2015-09-16): Pressinformation: Mehr Tote durch Luftverschmutzung. https://idw-online.de/de/news637686 Zugehörige Grafik: https://idw-online.de/de/image?id=266085&size=screen
[6] Universität Rostock (2015-06-02): Presseinformation: Internationale Messkampagne zu Gesundheitsauswirkungen von Feinstäuben. http://www.analytik-news.de/Presse/2015/324.html
[7] Ny Teknik (16 september 2015 08:30): Sjöfarten släpper ut flest farliga nanopartiklar. http://www.nyteknik.se/nyheter/energi_miljo/miljo/article3931009.ece