Das Netz: Inpol, NSA, GCQH

Zeichnung: Überwachung

Vertrauen ist schlecht, Überwachung ist besser. Bild: Bosmecspud/Wikimedia-Commons

Das deutsche Bundeskriminalamt BKA war bereits in den 70er Jahren weltweit führend im Ausspionieren von Bürgern und lieferte so sicherlich eine Blaupause für andere Schnüffeldienste wie die US-Behörde NSA und deren britisches Pendant GCQH.

Die Enthüllungen Edward Snowdens haben das Ausmaß der Datensammlungen nach 40 Jahren nur ein weiteres Mal deutlich vor Augen geführt. Dass das öffentliche Bewusstsein, in einer Überwachungsgesellschaft zu leben, weitgehend verloren ging, liegt wohl daran, dass die damaligen Enthüllungen zum Überwachungsstaat kaum den Weg vom Papier-Datenträger ins Internet gefunden haben.

Das seit 1976 aufgebaute Inpol-System der deutschen Polizeibehörden war das größte Datenverarbeitungsnetz in der damaligen Bundesrepublik – mehr als 15 Jahre bevor der Begriff »Internet« ins allgemeine Bewusstsein eindrang. Hier wurden nicht nur Haftbefehle und Diebesgutbeschreibungen gespeichert, sondern routinemäßig und massenhaft auch persönliche Daten und sogar Fingerabdrücke von Besuchern von Anarchistenprozessen, von 16- bis 18-jährigen demonstrierenden Schülern, Anti-Atomkraft-Demonstranten, darunter auch Kinder, ja sogar die Daten von Autofahrern und Beifahrern, die in Fahrzeugkontrollen gerieten.

Das Netz beschränkte sich nicht nur auf die Bundesrepublik. Niederländische Zeitungen berichteten damals vom »langen Arm des deutschen Bundeskriminalamtes«, das zunächst nur Kfz-Daten an die US-Polizeibehörde FBI und den britischen Scotland Yard lieferte, aber seine Daten auch mit Polizeirechnern in Paris und Rom teilte.

Diese Entwicklung trieb Horst Herold voran, von 1971 bis 1981 Präsident des Bundeskriminalamtes. Herold, nach eigenen Worten »Antifaschist, Gewerkschafter und Sozialdemokrat«, versuchte das Image des BKA als Schonraum für SS- und NSDAP-Mitglieder zu ändern. Denn noch zwei Jahre vor seinem Amtsantritt bestand das BKA-Führungspersonal zu rund einem Viertel aus SS-Leuten. Allerdings geriet er in den Medien bald in den Verdacht, faschistische Methoden zu entwickeln und Deutschland erneut in einen Gestapo-Staat zu verwandeln. Denn seine Ambitionen zielten darauf ab, nicht nur nach bekannten Tätern zu fahnden, sondern auch noch unbekannte, potenzielle Täter zu ermitteln. Die Kritik behinderte aber in keiner Weise den weiteren Ausbau des Datennetzes, denn die damaligen FDP-Innenminister Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer förderten Herolds Pläne zum Ausbau der Schnüffelbehörde geradezu emphatisch.

Es war der Spiegel-Redakteur Jochen Bölsche, der 1979 in einer siebenteiligen Folge mit dem Titel »Das Stahlnetz stülpt sich über uns« über die Datensammelwut und den Verdächtigungswahn deutscher Behörden berichtete. Als Buch erschien die Serie unter dem Titel »Der Weg in den Überwachungsstaat« bei Rowohlt ISBN 3499145340 im September 1979. Der Historiker Matthias Röhr hat diese Entwicklung auch in seiner Master-Arbeit »Ursprünge und Entwicklung des Chaos Computer Clubs in den 1980er Jahren« transparent gemacht, von der er Auszüge auf seiner Webseite «Stummkonzert« veröffentlicht hat.


Nachtrag 2014-01-08: Auch die US-Bundespolizei FBI war in den 1970er Jahren dabei, den US-Überwachungsstaat zu perfektionieren. 40 Jahre vor Edward Snowden brachen Mitglieder einer selbsternannten »Bürgerkommission zur Untersuchung des FBI« in ein Gebäude des FBI ein und sammelten Akten ein, die sie später anonym u.a. an die Washington Post schickten. Ein Paket voller Beweise, dass das FBI dabei war sich in einen unkontrollierten, politischen Geheimdienst zu verwandeln.

Aus dem Buch von Markus Kompa »Cold War Leaks – Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg« ist das Kapitel »Vier Jahrzehnte vor Snowden: The Citizens Commission to Investigate the FBI« hier bei »Telepolis« abgedruckt.

Schreibe einen Kommentar