Kategorie: 3 Technik & Technologie

Wissenschaft, Klima, Energiewende und mehr …

Portfolio aktualisiert bei Torial

Klima – Krise, Katastrophe, Wandel, Chance

Malizia: Unite behind the Science

Neues zum Klima – jeden Freitag neu

Meine Artikel bei MIT Technology Review:

  • Klimaerwärmung,
  • Nebenwirkungen und Extremwetter,
  • Anpassung,
  • Ideen, die helfen könnten, die Auswirkungen irgendwie abzumildern.

… zu den Artikeln bei Heise Online..

Vergesst die Versprechungen der Technik

Der Glaube an technische Lösungen zur Bewältigung des Klimawandels hat seit 40 Jahren dazu beitragen, dass notwendige kulturelle, soziale und politische Transformationen versäumt wurden.

Plasmakammer von ITER

ITER Plasmakammer (Credit © ITER Organization)

Seit über 120 Jahren hat die Menschheit eine Ahnung davon, wie das Klima der Erde funktioniert. 1896 hatte nämlich der Physiker und Chemiker Svante Arrhenius ein erstes, sehr einfaches Klimamodell veröffentlicht. Mit dem 3. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses über den Klimawandel (IPCC) von 2001 wurde endgültig klar, dass der Mensch mit großer Sicherheit das Klima beeinflusst.

Aber es war schlimmer als gedacht: In einem Update von 2009 zum 4. Sachstandsbericht mussten die IPCC-Autoren zugeben, dass ihre Modelle die Auswirkungen der Klimaerwärmung noch viel zu milde berechnet hatten. Das Arktiseis verschwand um 40 Prozent schneller, der Meeresspiegel dagegen stieg um 80 Prozent stärker an, als die Modelle errechnet hatten.

Dabei hatten sich 1979 bereits Experten zur Ersten Weltklimakonferenz (WCC1) zusammengefunden, um Möglichkeiten zu diskutieren, wie man die vom Menschen verursachten Klimaveränderungen eindämmen könnte. Sie warnten bereits damals vor den Folgen der bis heute weiter zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe.

40 Jahre kein Weiterkommen

Seit mindestens 40 Jahren wurden bis heute keine nennenswerten Schritte zur Eindämmung des CO2-Anstiegs unternommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Technik mit immer neuen Ideen kam, wie sich das CO2 aus der Atmosphäre entfernen lassen könnte. Nur damit die Industrie mit weiterhin steigender Kohle-, Öl- und Gasverbrennung wachsen kann.

Es waren allesamt leere Versprechungen. Dazu gehören Kernfusion, gigantische Anlagen mit CO2-Saugern, Wiederherstellung von Eisflächen mit Millionen von windbetriebenen Pumpen, Partikel in die Stratosphäre sprühen, Ozeane mit Eisen düngen, riesige Landflächen mit Wald bepflanzen oder mit Basaltkies bestreuen. Den Apologeten war weder die Zeitdimension klar, in der gehandelt werden muss, noch welche enormen Flächen für die Ernährung verloren gehen würden oder dass in Pflanzen gebundener Kohlenstoff dort auch wieder frei wird.

Folgen leerer Versprechungen

Der fatale Effekt: Die politischen Entscheider glaubten, dass die Technik es schon richten wird. Das befördert seit 40 Jahren eine Politik der Aufschiebung, der Definition immer neuer Klimaziele und vor allem falsche Anpassungsentscheidungen.

Akribisch nachweisen konnten das jetzt Duncan McLaren und Nils Markusson vom Umweltzentrum der Universität Lancaster in ihrem Artikel „Die Co-Evolution technologischer Versprechen, Modellierung, Politik und Klimawandelziele“, schienen in „Nature Climate Change“ (https://doi.org/10.1038/s41558-020-0740-1).
Duncan erforscht Gerechtigkeitsfragen des Climate Engineering, Markusson die Politik der Umwelttechnik.

Sie stellen fest, dass die fatale gemeinsame Entwicklung von Zielen, Modellen und Technologien letzten Endes dazu führt, notwendige Handlungen zu verzögern.

In ihrem Artikel heißt es: „Jedes neue Versprechen konkurriert nicht nur mit existierenden Ideen, sondern spielt auch jeden Sinn für die Dringlichkeit herunter und ermöglicht so immer wieder das Hinauszögern politischer Ziele für Klimamaßnahmen. Es zersetzt damit auch das gesellschaftliche Engagement für sinnvolle Antworten.“

Die Kurve flach halten

Hier drängt sich die Analogie zur Corona-Krise auf: Die Kurve flach halten. Aufs Klima bezogen: Die Erwärmung so niedrig halten, dass die Menschheit es gerade noch so ertragen kann.

Es waren gesellschaftliche Verhaltensänderungen, die die Kurve der Infektionen flach hielten, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht. Technische Lösungen allein, wie einfacher Mund-Nasenschutz könnten dagegen dazu verführen, nicht mehr den physischen Abstand einhalten zu müssen, um Infektionen zu verringern. Zuerst kamen also die Verhaltensänderungen, dann erst technische und organisatorische Lösungen, die sich aber je nach zukünftigen Trends fexibel und adäquat anpassen lassen.

„Unsere Hoffnungen auf immer neue Technologien zu stützen ist nicht weise. Stattdessen ist es lebenswichtig, eine breite Entwicklung sowohl von Verhaltens- wie auch technologischen Antworten auf den Klimawandel zu ermöglichen“, resümieren Duncan und Markusson.

Aber genau das konterkarierte Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt auf dem diesjährigen Petersberger Klimadialog. „Es gehe ihr darum, ‚deutlich zu machen, dass wir nicht etwa am Klimaschutz sparen, sondern in zukuftsfähige Technologien investieren‘„, zitierte die Taz am 28. April 2020 aus ihrem Redebeitrag.


Ergänzung 2020-05-05: Den Kindern und Jugendlichen der Fridays-fo-Future-Bewegung ist schon länger klar, dass das Warten auf technische Lösungen die Bedrohung durch den Klimawandel eher verstärkt – bevor Duncan McLaren und Nils Markusson jetzt auch den oben dargestellten wissenschaftlichen Hintergrund publizierten.

Am Tag, bevor die EU-Kommission am 4. März 2020 ihren Vorschlag für ein erstes europäisches Klimagesetz im Rahmen des European Green Deal vorstellte, schrieben sie einen offenen Brief an die Führungskräfte der EU. Darin heißt es:

„Und solange wir nicht über die Technologien verfügen, mit denen wir unsere Emissionen im großen Maßstab auf ein Minimum reduzieren können, können wir die „Nullbilanz“ oder „Kohlenstoffneutralität“ vergessen. Wir brauchen eine echte Null. […]

Und da diese Technologien für negative Emissionen, auf die Sie Ihr ganzes Vertrauen gesetzt haben, heute in dieser Größenordnung nicht existieren, müssen wir einfach damit aufhören, bestimmte Dinge zu tun. Auch wenn das bedeutet, dass wir unsere Wirtschaft verändern müssen.“


Dieser Text erschien auch auf https://teli.de

Sprechstunde mit 90 Experten

Einen echten Experten für einen Euro mieten. Mit ihm oder ihr eine halbe Stunde von Angesicht zu Angesicht reden: Das konnte man am 21. Oktober 2016 im Kulturzentrum Kampnagel in Hamburg

Wer immer schon mal mit einem Profi über Behinderung, Prothesen, Cyborgs, Körperverbesserung, die Zukunft der Technik, Ethik, Kultur und Philosophie reden wollte, bekam auf auf der Kampnagel-Veranstaltung die Gelegenheit dazu. Egal, ob jemand Wissensfragen hatte oder vorhatte, mit einem Fachmenschen eigene Gedanken und Ideen zu bereden, der konnte sich aus 90 Experten den passenden auswählen und mit ihm eine halbe Stunde Redezeit buchen.

Damit nicht genug: Wer einfach nur zuhören wollte, der lieh sich einen Radioempfänger mit Kopfhörer. Auf sieben Kanälen konnte man sich in ausgesuchte Zwiegespräche einwählen. Für Hörbehinderte standen Gebärdendolmetscher bereit, einige von ihnen übersetzten gut sichtbar ausgewählte Diskussionen in den Publikumsraum hinein. Auf einer großen Leinwand rollte zusätzlich eines der Gespräche schriftlich ab.

216 Einzelgespräche an einem Abend

Die „Klienten“ genannten Teilnehmer buchten sich beim Empfang ihren Experten, dem sie dann an einem von 36 Tischen gegenüber sitzen durften. Über sechs Runden hinweg wechselten die Gesprächspartner alle halbe Stunde, so dass an dem Abend Gelegenheit für insgesamt für 216 Gespräche war. Auf den Sitzstufen im Publikumsbereich saßen im Halbdunkel noch mindestens ebensoviele Zuschauer und lauschten in ihre Kopfhörer.

Bereits 19mal wurde dieses Gesprächsformat unter dem Titel „Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“ in aller Welt inszeniert. Diesmal in Hamburg unter der Titel „The Extraordinary Ordinary: Behinderung, Technokörper und die Frage der Autonomie“. Die deutsche Theaterdramaturgin Hannah Hurtzig entwickelte das Konzept mit ihrer „Mobílen Akademie“, die sich mit ihren Veranstaltungen irgendwo zwischen Wissensvermittlung, und Perfomance, zwischen Volkshochschule und Theater bewegt.

Breites Themenspektrum

Auch wenn Behinderung der Schwerpunkt war, die Gesprächsthemen gingen oft weit darüber hinaus. So beispielsweise die Philosophieprofessorin Petra Gehring von der TU Darmstadt. Sie ist Expertin für Theorien über Leben und Tod, Bio- und Sterbeethik, und rechtsphilosophische Fragen. Dem Gespräch mit ihrer Klientin konnte man im Kopfhörer folgen. Darin kritisierte sie nicht nur, wie schnell sich in Ethikdebatten und -kommissionen Wissenschaftler zu Experten hochstilisieren, die von Ethik wenig Ahnung haben. Für sah Ethik auch als Geschäftsmodell für einige Wissenschaftler, ihre Reputation zu heben.

An einem anderen Tisch ging es um Cyborgs und die interessante Überlegung, ob künstliche Gliedmaßen nicht eines Tages sehr viel besser und sogar anderes fühlen könnten, als die natürlichen.

Neue Formate erreichen ein großes Publikum

In der zweimonatigen Vorbereitung hatte das Team um Hannah Hurtzig mit 201 Experten gesprochen: Wissenschaftler, Literaten, Künstler, Journalisten und Behinderte als Experten in eigener Sache. Schade ist jedoch, dass die Wissenschaftlerauswahl vor allem die Gesiteswissenschaftler vorzog. Ein paar mehr Techniker, Techniknerds und Informatiker hätten der Veranstaltung sicherlich noch mehr Substanz geben und Visionen beisteuern können.

Schade auch, dass die Beschreibung des Events reichlich kulturverschwurbelt-eltär daherkam. Die Beschreibung der Veranstaltung im Wortlaut: „Im SCHWARZMARKT FÜR NÜTZLICHES WISSEN UND NICHT-WISSEN bieten 90 Expert*innen in einer maschinisierten Arena, getaktet im Rhythmus administrierter Zeit, im Rausch der Simultanität und Kollektivität, ihr spezifisches Wissen an.“ Und weiter: „Das, was wir ‚Behinderung‘ nennen, hat das Potential, unser gewohntes Denken über Individualität, Normalität, Autonomie und Hilfe herauszufordern. Ungewöhnliche Gefüge von Körpern und Technologien, Kommunikationsformen außerhalb der Norm und gelebte Abhängigkeiten von anderen lassen vielfältige Perspektiven auf das zu, was wir ‚den Menschen‘ nennen.“

Eine solch abgehobene Sprache war nicht dazu angetan, viele Menschen vom Sofa zu locken. Die vielleicht vierhundert oder fünfhundert Besucher dürften somit eher einer hochkulturaffinen Gesellschaftsschicht zuzuordnen sein. Was vielleicht nicht einmal schlecht ist. Haben ihre Vertreter doch hier die Gelegenheit gehabt, wenn auch eingeschränkt, einmal mit Technik und Technikvisionen konfrontiert zu werden.

Alles in allem ist es, wie auch die „Hamburger Weltklimakonferenz 2015“ des Regietrios „Rimini Protokoll“, eines der gelungenen neuen Formate, um Wissen, Bildung und Debatte einem großen Publikum erfolgreich nahezubringen.

Bemerkenswert: Beide Formate haben Theatermacher entwickelt. Vielleicht sollten Wissenschaftskommunikatoren mehr auf deren Expertise setzen, als auf professionelle Moderatoren oder Kommunikationsmanager.

Buch: Das nackte Gehirn

Mario Markus: Das nackte Gehirn © Theiss-Verlag

Erscheint »Gehirn« auf einem Buchtitel, kann man sicher sein, dass sich Esoteriker, Psycho-Laien und Selbstoptimierer begierig auf den Klappentext stürzen. Versprechen solche Bücher doch meist Hilfe zu Selbsterkenntnis und Eigentherapie. Genau diese Leserschaft scheint das Buch »Das nackte Gehirn – Wie Neurotechnik unser Leben revolutioniert« von Mario Markus auf den ersten Blick auch anzusprechen. Aber Achtung: Klappentext und Einleitung sind Honigtöpfe.

Honigtopf (honeypot)

Gedankenlesen, Telekinese und Telepathie seien nämlich »zu wissenschaftlich anerkannten, reproduzierbaren und teilweise sehr nützlichen Techniken« geworden, heißt es gleich im ersten Absatz des Einführungskapitels. Ein Satz, der Ahnungslose anlocken kann, die dann in ein Thema hineingezogen werden, mit dem sie nicht gerechnet haben – eben ein Honigtopf.

Genau deshalb sollte man das Buch eigentlich gar nicht öffentlich besprechen. Parapsychologen und Esoteriker könnten gewarnt werden, weil die Buchbesprechung auch benennen muss, dass hier die wissenschaftliche Wirklichkeit beschrieben wird. Doch zumindest aus der ersten Hälfte könnten sich wissenschaftlich belegte Informationen ziehen, die sich in einen Brei aus Halbwissen und Fehlschlüssen integrieren lassen. Zwar stellt Markus gleich sehr früh klar, dass Parapsychologie halt mal klappt und mal nicht, dass die Versuche in der Regel nicht reproduzierbar sind, aber er zitiert dann auch eine wissenschaftliche Statistik, nach der sich das parapsychologische Für und Wider die Waage halten.

Was Neurotechniker sehen können

Bis zur Buchmitte zählt der Autor nahezu alle Phänomene auf, die Hirnforscher und Mediziner in den vergangenen Jahren mit Hilfe von EEG, fMRT und anderen Messtechniken herausgefunden haben. Die Funktionsweise dieser Techniken erklärt er ausführlich und verständlich im Anhang des Buches: Mit dem EEG, dem Elektroenzephalogramm, messen Forscher elektrische Gehirnströme, mit der fMRT, der funktionellen Magnetresonanztomographie, physiologische Hirnfunktionen in einem Magnetfeld, durch das aktive Hirnareale sichtbar werden.

Sind Hetero- und Homosexualität, Pädophilie, Mitgefühl und Hass, Lust am Töten oder Rassismus im Gehirn messbar? Markus hat sich durch die wissenschaftliche Literatur gelesen und alles an aufdeckenden Untersuchungen zusammengestellt, von denen Menschen eigentlich glauben, es seien ihre ureigenen, privaten, oft tief vergrabenen Emotionen, logischen Entscheidungswege und individuellen Charaktereigenschaften. Mit den vorgestellten Techniken lässt sich aber viel mehr sichtbar machen, als mancher denkt. Die Kapitel sind hinreichend kurz, in denen er die Methoden der Entdeckung und deren Überprüfungen enzyklopädisch darstellt und am Ende in einem Fazit zusammenfasst.

Der Autor

Mario Markus ist Physiker und forschte lange Zeit am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund. Für das Buch hat er zahlreiche, aktuelle Wissenschaftsveröffentlichungen ausgewertet. Auch wenn er kein Experte in Sachen Gehirnforschung und auch kein Wissenschaftsjournalist ist, kann man darauf vertrauen, dass er die Aussagekraft der wissenschaftlichen Literatur richtig beurteilt hat.

Telekinese nur mit Technik

In der zweiten Hälfte des Buches greift Markus dann tatsächlich das scheinbar Paranormale auf. Da geht es um Telekinese, das Lenken von Rollstühlen mit Gedanken, ja, sogar um die Gedankenübertragung von Gehirn zu Gehirn. Doch mystisch ist das alles nicht, denn ohne Kabel, Computerchips und -programme funktioniert es nicht. Damit nicht genug. Er beschreibt auch, wie viel mühevolle Übung und Zeit computerbasierte Telekinese eben doch erfordert, um klappen. Spätestens hier werden Esoteriker und Anhänger des Paranormalen furchtbar enttäuscht.

Dass man mit diesen Techniken natürlich auch das Gehirn manipulieren kann, darauf geht Markus gegen Ende des Buches ein, wo er sowohl Gehirndoping als auch die Behandlung von Hirnkrankheiten, wie Parkinson beschreibt. Das sind Anwendungen, auf die er auch in einem Ethik-Kapitel vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Normen und Urteile eingeht.

Nur ein Teil der Gehirnforschung

Wie es im Untertitel heißt, beschreibt das Buch ausschließlich Neurotechniken. Es wäre wünschenswert gewesen, diese Techniken in einem kurzen Kapitel in den großen Zusammenhang des gesamten Wissenschaftsfeldes der Gehirnforschung zu stellen. Beispielweise, wie neurotechnisch gewonnene Erkenntnisse sich in biologische Untersuchungen und Experimente auf Organ- und Zellebene, Genetik und Evolution einordnen lassen.

Sprache

Mario Markus ist nicht nur Wissenschaftler. Er hat sich immer auch im Brückenbau zwischen Kunst und Wissenschaft engagiert, beispielsweise indem er selbst Computergrafiken veröffentlichte. Aber er hat auch einen Namen als Romanautor und Lyriker in seiner Muttersprache Spanisch. Leider spiegelt sich diese Sprachbegabung nicht in dem diesem Buch wider. Andererseits schreibt er auch nicht wissenschaftlich hochgestochen, so dass der Text sehr gut für ein breites Publikum geeignet ist.

Fazit

Eine umfassende, enzyklopädische und gut lesbare Zusammenstellung der beschreibenden und experimentellen Neurotechnik, – vor allem geeignet für neugierige Realisten.


Markus, Mario (2016): Das nackte Gehirn – Wie die Neurotechnik unser Leben revolutioniert. Theiss-Verlag. Hardcover ISBN: 9783806232783, eBook PDF ISBN:9783806233230, eBook EBUB ISBN:9783806233247

»Zukunftsstadt«:
Antworten ohne Fragen
Das Wissenschaftsjahr der Technokraten

Das Wissenschaftsjahr »Zukunftsstadt«[1] geht zu Ende. Es war ein Markt technokratischer Eitelkeiten und die PR-Kampagne für zahlreiche Smart-City-Initiativen, darunter die »Morgenstadt«[2] der Fraunhofer Gesellschaft. Was bleibt hat wenig mit der Stadt als Lebensraum und noch weniger mit dem Leben der Menschen zu tun. Ja, es hat nicht einmal zum umfassenden Nachdenken über eine Stadt der Zukunft für Menschen gereicht.

Songdo-Banner

Songdo (Banner)

Der Hype um die Optimierung der Städte durch Technik verspricht vor allem eins: Viel Geld für die großen Informationstechnologie-Konzerne. Im Mittelpunkt: Vor Allem digitale Produkte, die man den Kommunen verkaufen kann, aber nie die Möglichkeiten und Wünsche der Menschen. Erfahrungen von Stadtplanern und Architekten, Erkenntnisse von Soziologen und Humanwissenschaftlern: Allenfalls Randnotizen.

Zwar haben auch Planer und Baumeister in der Vergangenheit teure Fehler gemacht, als sie in den 1950er und 1960er Jahren der Philosophie Le Corbusiers folgend autogerechte Städte planten und durchsetzten. Aber viele von ihnen haben seitdem aus den Fehlern gelernt.

Solche Erfahrungen haben die neuen IT-Stadtplaner noch nicht sammeln könnten, ja, sie berücksichtigen nicht einmal, dass groß angelegte, modische Veränderungsprozesse zu gewaltigen Fehlentwicklungen führen können. Allumfassend zu reflektieren gehört eben nicht zum Ingenieursdenken, das allein auf Effizienz getrimmt ist.

Mehr als Technik

So lieferte denn auch das Wissenschaftsjahr »Zukunftsstadt« nur mehr von Gewöhnlichen. Die Ingenieure öffneten ihre Werkzeugkisten und zeigten, was sie damit alles machen können. So lud man Bürger beispielsweise zur Ausstellung auf dem Binnenschiff »MS Wissenschaft« ein, um die Ideen von rund 30 wissenschaftlichen, zumeist ingenieurwissenschaftlichen Instituten anzuschauen und damit herumzuspielen. Das nannte sich dann »mitgestalten« – aber eben nur mit den angebotenen Spielzeugen.

Dass eine gute Stadt mehr braucht, als digitale Vernetzungen, Big-Data-Algorithmen, futuristische Fahr- und Flugzeuge oder künstliche Natur, blieb außen vor. Weit weg auch der Gedanke, dass Ineffizienz auch Freiraum bedeutet, in dem die Menschen ihre Lebensräume frei gestalten, Trampelpfade durch den Großstadtdschungel schlagen, die weder Kameras noch Sensoren erfassen.

Innovation statt Stadt

In ihrer »Nationalen Plattform Zukunftsstadt« hat die Bundesregierung denn auch klargestellt, dass es gar nicht um die Städte geht, sondern darum, »neue Strategien für Forschung und Innovation in Deutschland zu entwickeln«[3].

Slim (Nairobi)

Spontane Stadtentwicklung (Nairobi, Kenia)

Als übergreifendes Szenario musste immer wieder die Prognose herhalten, dass 70 Prozent der neun Milliarden Menschen im Jahre 2050 in Städten leben werden. Aber es wachsen in erster Linie nur die Städte in den armen Ländern. Die aber entsprechen schon heute nicht dem Stadtverständnis von Europäern und Nordamerikanern, bei denen die Mittelstädte sogar schrumpfen.

Die Weltbank zeigte in einer Studie, dass die meisten Stadtbewohner in armen Ländern hier nicht ihre permanente Heimat finden, sondern zwischen Stadt und Land migrieren[4]

Unberücksichtigt auch, das selbst die Bewohner in den Slums der Megastädte und der tristen Stadtrandsiedlungen vielleicht Lösungen für lebenswerte Orte bereithalten. Das war nur Thema des Dokumentarfilms »Slums: Cities Of Tomorrow«[5], nicht aber der »Zukunftsstadt«. Was Ingenieure in Deutschland entwickeln und im Wissenschaftsjahr 2015 zeigten, dürfte die Probleme der wachsenden Städte wohl kaum lösen.

Ganzheitlicher Umbau statt Technokratie

Aus der Masse der Daten, die schon heute in einer Stadt anfallen, wie Stromverbrauchszeiten, Fußgänger- und Verkehrsströme, Wasser- und Abwasserflüsse oder Wärmeverteilung, lassen sich höchstens Algorithmen konstruieren, die die Organisation effizienter machen. Sie mögen zur klimatischen Nachhaltigkeit beitragen, aber die Qualität des Lebens in den Städte verbessern sie nicht.

Das wissen auch Kommunalpolitiker, wie Hilmar von Lojewski, Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr beim Deutschen Städtetag: »Was die Industrie anbietet ist in der Regel nicht unbedingt maßgeschneidert. Das ist eben nicht ein ganzheitlicher Umbau einer Stadt, sondern das sind immer Teilbereiche.« Und weiter: »Die Städte sind nicht das Labor, um das zu erproben, was man dann international vermarktet. Deshalb sind wir da auch zurückhaltend, ohne aber technologiefeindlich zu sein.«

Daten statt Sehen

Jan Gehl

Jan Gehl (Architekt und Stadtplaner)

Big-Data-Analysen reichen eben nicht aus. Nirgendwo während des Wissenschaftsjahres »Zukunftsstadt« war zu lesen, dass sich Stadtplaner für Tage oder Wochen an Straßen oder Plätze setzten und einfach nur beobachteten und protokollierten, wie sich die Menschen dort bewegen, welche Stellen sie vermeiden, wo sie gerne stehen bleiben, wo Jugendliche sich zurückziehen, wie und wo sie bei Regen oder Sonne gehen, wo und wann sie sich irgendwo hinsetzen.

Dabei ist genau das das Erfolgsrezept der Kopenhagener Agentur »Gehl Architects«. »Nebenbei kommen dann schon erste Gedanken, wie und wo man etwas verbessern kann,« so ihr Gründer Jan Gehl, der nicht nur Kopenhagen zur freundlichsten Stadt für Fußgänger und Radfahrer umgestaltete, sondern auch die Autos vom New Yorker Times Square verbannte. Seine Idee der »Stadt für Menschen« fiel bei zahlreichen Stadtverwaltungen weltweit auf fruchtbaren Boden, wie beispielsweise in Melbourne, Moskau, Vancouver, San Francisco und Sao Paulo.

Das Wissenschaftsjahr »Zukunftsstadt« ist großartig gescheitert. Es gab nur technokratische Angebote, aber keine, die die Nachfragen befriedigen konnten, für Probleme, für die sich die Menschen Lösungen für ihre eigene Stadt, ihr eigenes Quartier wünschen.


[1] Wissenschaftsjahr 2015 »Zukunftsstadt«, eine Initiative des Bundesmininsteriums für Bildung und Forschung: https://www.wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de

[2] Morgenstadt-Initiative des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation: http://www.morgenstadt.de

[3] Nationale Plattform Zukunftsstadt: https://www.wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de/uebergreifende-infos/das-wissenschaftsjahr-partner/nationale-plattform-zukunftsstadt.html

[4] World Bank Group (2015): East Asia’s Changing Urban Landscape: Measuring a Decade of Spatial Growth. Washington, DC: World Bank. https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/21159,License: CC BY 3.0 IGO.

[5] Slums: Cities of tomorrow: http://www.filmfesthamburg.de/de/programm/Film/21910/Bidonville_architectures_de_la_ville_future


Bilder:

1. Songdo Banner“ von https://www.flickr.com/photos/sharonhahndarlin/https://www.flickr.com/photos/sharonhahndarlin/8965716074/. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons
2. Spontane Stadtentwicklung in Nairobi (Kenya 2005)“ by Piergiorgio Rossi – produzione propria. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons
3. Hanns-J. Neubert

Luftverschmutzung:
Mehr als nur Volkswagen

Mit kriminellen Mitteln versuchte Volkswagen in den USA Kunden und Behörden zu täuschen. Mehr noch: Der Konzern gefährdete damit Leben. Doch Autos sind nicht die einzige Quelle für Abgase, die zu frühzeitigen Todesfällen führen. Auch Landwirtschaft und Seeschiffahrt tragen dazu bei. 

Die Nachricht von den manipulierten Abgaswerden der VW- und Audi-Dieselautos in den USA hat es am vergangenen Sonnabend endlich auch in die Tagesschau geschafft[1]. Volkswagen gab inzwischen zu, die US-Umweltschutzbehörde und das kalifornische Gremium für Luftreinhaltung hinters Licht geführt zu haben[2].

Clean Diesel Werbung von VW

Irreführende „Clean Diesel“-Werbung in den USA

Als „Clean Diesel“ beworben, verdrecken die VW- und Audi-Dieselmodelle in die USA seit sechs Jahren die Luft mit bis zu 40-mal höheren Abgaswerten als die Werbung behauptet und Prüfstandsmessungen scheinbar belegen. VW hat seiner Steuerungssoftware einen Betrugsalgorithmus eingepflanzt, der erkennt, wenn ein Fahrzeug auf dem Abgasprüfstand gecheckt wird[3]. Genau dann regelt die Software die Abgaswerte herunter.

Scheinheilig

Gestern endlich raffte sich der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, auch für Forschung in Entwicklung verantwortlich, zu einer Entschuldigung auf[4]. Interessanterweise betont er: „Volkswagen duldet keine Regel– oder Gesetzesverstöße jedweder Art.“ Aber genau das hat VW seit 2009 getan. Um ein derartig ausgefeiltes Betrugssystem zu installieren bedarf es einer Management-Anweisung auf recht hoher Ebene.

Clean-Diesel-VW-Golf

Noch am 10. Juli 2015 posierten Manager der Volkswagen Group of America vor einem „Clean Diesel“-Golf, der wegen seines geringen diesel-Verbrauchs ins Guiness-Buch der Rekorde kam. Foto: Volkswagen AG

Weiter heißt es in Winterkorns Entschuldigung: „… dafür alles Erforderliche tun, um Schaden abzuwenden.“ 

Dabei weiß er genau, dass das nicht möglich ist. Die Schadstoffe sind nun mal in der Luft. Allen voran Stickoxide (NOX), die zur Ozon- und Feinstaubbildung beitragen und damit zu vorzeitigen Todesfällen.

Frühzeitige Todesfälle

Jetzt liegt natürlich die Frage auf der Hand, ob Volkswagen auch in Deutschland Behörden und Kunden an der Nase herum führt und so zum frühzeitigen Tod von Menschen beiträgt. Was Volkswagen recht ist, könnte auch BMW, Ford, Mercedes und Opel billig sein.

In Deutschland sterben doppelt so viele Menschen viel zu früh an den Folgen von Autoabgasen wie an Autounfällen, nämlich rund 7.000 Menschen pro Jahr. Berechneten haben das jüngst Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie[5]. Weltweit tragen die Abgase aus dem Straßenverkehr mit fünf Prozent zu vorzeitigen Todesfällen bei, in Deutschland aber mit rund 20 Prozent.

Auch Landwirtschaft und Schifffahrt

Überraschenderweise ist aber die Landwirtschaft eine wichtige Ursache für schlechte Luft. Die übermäßig eingesetzten Düngemittel setzen chemische Reaktionen in Gang, die am Ende zur Bildung von Feinstaubpartikeln führen. Global gesehen ist die Landwirtschaft die Ursache von einem Fünftel aller frühzeitigen Todesfälle durch Luftverschmutzung. In Deutschland liegt dieser Anteil aber sogar bei über 40 Prozent, errechneten die Max-Planck-Forscher.

Felder

Die angeblich so sauberen Dieselmotoren von Autos, wie VW und Audi sie auf den Markt bringen, sind übrigens genauso dreckig wie die Abgase von Schiffen, unter denen viele Küstenstädte leiden. Das haben Forscher des Virtuellen Helmholtz Instituts HICE festgestellt, das von der Universität Rostock und dem Helmholtz Zentrum München geleitet wird[6]. So überrascht es nicht, dass schwedische Wissenschaftler jüngst gemessen haben, dass die Hälfte aller Nanopartikel in Küstenstädten aus der Seeschifffahrt stammt[7].

Vor diesem Hintergrund ist es völlig absurd, Kreuzfahrtschiffe bis tief hinein in Innenstädte schwimmen zu lassen, wie in Hamburg.

Schiff mit rauchendem Schornstein auf See

Steuergelder gegen Green-washing

Es wäre eine Recherche wert herauszufinden, wie viel Steuergelder ausgegeben werden, um Betrugs-, Verschleierungs- und Beschönigungsversuche (green-washing) der Industrie aufzudecken, wie jetzt am Beispiel Volkswagen geschehen. Denn Forschungsprojekte und Messkampagnen, wie die oben genannten, sind teuer. Und alles nur, weil Unternehmen die Verantwortung auf den Staat und die Bürger abwälzen und sich öffentlicher und transparenter Kontrollen an den Quellen in den Fabriken, den Produktions- und Designprozessen verweigern.


Verantwortungslos (2015-09-22)

Inzwischen hat sich auch der US-CEO von VW, Michael Horn, entschuldigt – aber nur dafür, dass VW die US-Behörden und die eigenen Kunden getäuscht hat. Kein Wort darüber, dass die Abgase nun mal in der Luft sind und allen Menschen schaden. Das hat wenig bis nicht mit sozialer und ökologischer Verantwortung zu tun, aber viel mit PR, Lüge und Green-washing.

Spiegel-Online hat gut aufgelistet, wie die Täuschung aufflog und welche gerissenen Methoden VW benutzte, um alle zu täuschen:


[1] Tagesschau (2015-09-19): Volkswagen droht Bußgeld in den USA, http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-117929.html

[2] PLUNGIS, Jeff (2015-09-19): Volkswagen Admits to Cheating on U.S. Emissions Tests. BloomberBusiness. http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-09-18/epa-says-volkswagon-software-circumvented-car-emissions-testing PLUNGIS; Jeff (2015-09-19): VW `Clean Diesel‘ Scheme Exposed as Criminal Charges Weighed. http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-09-19/vw-clean-diesel-scheme-exposed-as-u-s-weighs-criminal-charges

[3] EPA California Notify Volkswagen of Clean Air Act Violations (2015-09-18): Carmaker allegedly used software that circumvents emissions testing for certain air pollutants. http://yosemite.epa.gov/opa/admpress.nsf/bd4379a92ceceeac8…35900400c27/dfc8e33b5ab162b985257ec40057813b!OpenDocument Air Resources Board (2015-09-18): Letter to CEOs of Volkswagen Group of America. http://www.arb.ca.gov/newsrel/in_use_compliance_letter.htm

[4] Statement of Prof. Dr. Martin Winterkorn, CEO of Volkswagen AG (2015-09-20): https://www.volkswagen-media-services.com/detailpage/-/detail/Statement-of-Prof-Dr-Martin-Winterkorn-CEO-of-Volkswagen-AG/view/2709406/7a5bbec13158edd433c6630f5ac445da?p_p_auth=W9vBRy1h

[5] BENNER, Susanne (2015-09-16): Pressinformation: Mehr Tote durch Luftverschmutzung. https://idw-online.de/de/news637686 Zugehörige Grafik: https://idw-online.de/de/image?id=266085&size=screen

[6] Universität Rostock (2015-06-02): Presseinformation: Internationale Messkampagne zu Gesundheitsauswirkungen von Feinstäuben. http://www.analytik-news.de/Presse/2015/324.html

[7] Ny Teknik (16 september 2015 08:30): Sjöfarten släpper ut flest farliga nanopartiklar. http://www.nyteknik.se/nyheter/energi_miljo/miljo/article3931009.ece

Was in der vergangenen Woche wichtig war

Was es aus Wissenschaft und Technik in der Woche 37/2015 nicht auf die Titelseiten schaffte, aber es wert ist darüber zu berichten. Klima ist dabei natürlich ein Dauerthema. Der „Sternmensch“, Homo naledi, hat es immerhin ausführlich auf die Wissenschaftsseiten gebracht. Für die Individualität von Nanopartikeln gilt dies nicht, auch wenn es Konsequenzen für ihre Anwendung hat. Und dass Tabak wenigstens Kulturgeschichte schreibt, kann man immerhin auch als gesellschaftlichen Verdienst von Rauchern sehen.


Klima

Das Thema „Klimawandel“ ist eigentlich ein Dauerthema und jeden Tag, jede Woche wichtig. Gerade auch jetzt, wo Flüchtlinge, Willkommenskultur und Fremdenfeindlichkeit die Titelseiten beherrschen. Genauso wie die Völkerwanderung aus Kriegsgebieten ins reiche Europe vorhersehbar waren, genauso ist vorhersehbar, dass schon bald auch zunehmend mehr Klimaflüchtlinge die Festung Europa stürmen und erobern werden. „Klimabedingte Flucht ist ein weitgehend unterschätztes Phänomen. Wir sprechen von Millionen“, sagte der Völkerrechtler Walter Kälin kürzlich in einem Interview[1].

Die Fakten liegen in zahlreichen Forschungsergebnissen auf dem Tisch. Besonders jetzt vor dem Klimagipfel in Paris im kommenden November, hat die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichung noch einmal zugenommen. Niemand kann heute mehr sagen, er hätte es nicht gewusst.

Dennoch geht der Ausstoß des wichtigsten Klimagases, das die Menschheit beeinflussen kann, munter weiter. Die CO2-Konzentration lag an der Standard-Messstation Mauna Loa auf Hawaii in Woche zwischen dem 30. August und dem 6. September mit durchschnittlich 398,49 ppm um 2,37 ppm über dem Wert des Vorjahres im gleichen Zeitraum. „ppm“ bedeutet, „parts per million“, also ein Molekül CO2 auf eine Million anderer anderer Luftmoleküle. Das ist ziemlich viel, betrug ihr Anteil in vorindustrieller Zeit, also vor etwa 1850, doch nur rund 280 ppm. Beim Weltkongress in Rio im Juni 1992 waren es dann es schon 364 ppm. Um das politische Zwei-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent einzuhalten, müsste die Konzentration unter 400 ppm bleiben. Das war im Juni 2015 aber bereits überschritten. Mehr dazu bei CO2Now.


Atmospheric CO2 data


Homo naledi

Skelett Homo naledi (Photo by John Hawks/University of Wisconsin-Madison)

Skelett Homo naledi (Photo by John Hawks/University of Wisconsin-Madison)

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte das Fachblatt eLife die Entdeckung einer neuen Menschenart. Die Forscher um Lee R. Berger tauften sie „Homo naledi“[2].

In einem Höhlensystem namens „Rising Star“ in Südafrika fanden die Wissenschaftler 1550 Knochenstücke, die sie 15 Individuen zuordnen konnten. „Naledi“ heißt auf Sesotho „Stern“. Noch weiß man nicht genau, wann dieser 1,50 Meter große, 45 Kilogramm leichte und mit einem orangengroßen Gehirn ausgestatte Verwandte gelebt hat.


Jedes Nanopartikel ist einzigartig

Nanopartikel derselben Größe, aus demselben Material und mit derselben Form können dennoch sehr äußerst verschiedenen Eigenschaften haben. Zumindest gilt das erst einmal für Partikel, die Wasserstoffgas binden. An ihnen wird geforscht, weil sie in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer sicheren Wasserstoffzukunft spielen sollen, beispielsweise beim Transport und der Lagerung von Wasserstoff, für bessere Katalysatoren oder in Brennstoffzellen und als besonders empfindliche Sensoren.

Doch alle Nanopartikel weisen von Beginn an verschiedene Fehler in ihrem Atomgitter auf, die sie für eine Anwendung mehr oder (meist) weniger geeignet machen.

Entdeckt haben diese unerwünschten Eigenschaften Forscher um Christoph Langhammer von der Chalmers Universität in Göteborg, Schweden. Denn mit den herkömmlichen mikroskopischen Methoden sind die Fehler in den Partikeln nicht erkennbar. Die Wissenschaftler untersuchten stattdessen das Verhalten von Plasmonen. Was das Photon für die Messung elektrischer Schwingungen ist, ist ein Plasmon für die Messung von Schwingungen in einem atomaren Metallgitter. Sie werden als elementare Quasiteilchen bezeichnet, deren Verhalten Auskunft über die Ladungsträgerdichte in Halbleitern, Metallen und Isolatoren gibt[3].


Tabak historisch

Buchveröffentlichung: An der Kulturgeschichte des Tabaks lassen sich soziale und kulturelle Veränderungen in Europa und der Welt nachzeichnen. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.

Im 16. Jahrhundert gelangte Tabak als „braunes Gold“ in die vornehmen Kreise Europas. Von da an sollte das nikotinhaltige Pflanzenprodukt die „Genusskultur“ vieler Menschen über Generationen hinweg bestimmen. Ab dem Ende des 20. Jahrhunderts wurde Tabak dann zunehmend stigmatisiert und als gesundheitliches Übel der Moderne dargestellt[4].


[1] KÄLIN, Walter im Interview: Wir sprechen von Millionen. Akzente 3/2015, Das Magazin der GIZ, S. 25.

[2] BERGER, Lee R, et.al. (2015): Homo naledi, a new species of the genus Homo from the Dinaledi Chamber, South Africa. eLife 2015;4:e09560, DOI: http://dx.doi.org/10.7554/eLife.09560, http://elifesciences.org/content/4/e09560.full

[3] KARLSSON-OTTOSSON, Ulla (2015): Forskare avslöjar: Varje nanopartikel är unik. Ny Teknik 2015-09-07 http://www.nyteknik.se/nyheter/innovation/forskning_utveckling/article3928261.ece

[4] JACOB, Frank; Gerrit Dworok (Hrsg. 2015):  Tabak und Gesellschaft. Vom braunen Gold zum sozialen Stigma. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2015, 406 Seiten, Band 1 der Reihe „Wissen über Waren – Historische Studien zu Nahrungs- und Genussmitteln“, 78,00 Euro, ISBN 978-3-8487-1628-9.

Das Netz: Inpol, NSA, GCQH

Zeichnung: Überwachung

Vertrauen ist schlecht, Überwachung ist besser. Bild: Bosmecspud/Wikimedia-Commons

Das deutsche Bundeskriminalamt BKA war bereits in den 70er Jahren weltweit führend im Ausspionieren von Bürgern und lieferte so sicherlich eine Blaupause für andere Schnüffeldienste wie die US-Behörde NSA und deren britisches Pendant GCQH.

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Fotokopien geben Originale falsch wieder

Vorher: Nachher:
Bilder: David Kriesel

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass eine Fotokopie das Original genau wiedergibt. Muss aber nicht!

Kontrolle ist besser.

Moderne Kopierer sind eben doch keine Fotokopierer. Vielmehr durchläuft das aufgenommene Bild eine Software zur Datenkompression, bevor die »Kopien« aufs Papier gedruckt werden. Und diese Software kann Fehler machen – zumindest bei Xerox-Kopiergeräten, wie die Bilder oben zeigen.

Es ist durchaus möglich, dass falsche Kopien nicht allein ein Xeros-Problem sind. Es ist also unabdingbar, bei wichtigen Papieren, wie Rechnungen, Rezepten oder Konstruktionszeichnungen für Bauten, die Kopie immer genau mit dem Original zu vergleichen.

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